Islam-Unterricht: Bald kommen auch in Berlin Islam-Lehrer von der Uni

Mehr als 300.000 Berliner fühlen sich dem Islam zugehörig. 5.000 Kinder nehmen derzeit am (freiwilligen) islamischen Religionsunterricht an allgemeinbildenden Schulen teil. Hinzu kommen Tausende an privaten Islam-Schulen. Sie werden von nicht ausreichend ausgebildetem Lehrpersonal unterrichtet. Das weckt Misstrauen bei Islamkritikern, aber auch bei liberalen Muslimen. Sie fürchten, dass dort eine islamistische, wenn nicht salafistische Auslegung des Koran gelehrt wird.

Tatsächlich kommen die Berliner Islamlehrer bisher von der türkischen Religionsbehörde Ditib und von der Islamischen Föderation Berlin. Ditib wird eine zu große Nähe zur autoritär-islamistischen türkischen Regierung vorgeworfen, die Islamische Föderation steht der umstrittenen Gemeinschaft Milli Görüs nahe. Mit Wissenschaft hat das nicht viel zu tun, wohl wenige der Lehrer hielten wissenschaftlichen Anforderungen stand.

Historiker als Geburtshelfer

Das soll jetzt anders werden. An der Humboldt-Universität soll Berlins erstes Institut für Islamische Theologie gegründet werden. Am Montag wurde der Gründungsbeauftragte öffentlich vorgestellt, der (mittlerweile emeritierte) Historiker Michael Borgolte.

Der renommierte Mittelalter-Historiker weiß, dass seine Arbeit „unter besonderer Beobachtung“ stehen wird. Das neue Institut trage deshalb auch den politischen Bedürfnissen Rechnung und strahle in die Stadtgesellschaft aus. So oder so gilt als Ziel: Zum Wintersemester 2018/19 soll ein funktionierendes Institut mit vier Professuren stehen.

Mitbestimmung ist wichtig

Eine erste Studentin hat sich bereits am Montag quasi eingeschrieben. Seyran Ates, streitbare türkisch-stämmige Rechtsanwältin, Autorin und Frauenrechtlerin aus Berlin und Gründerin einer liberalen Moscheegemeinde, saß bei der Präsentation in der Humboldt-Universität unter den Zuschauern. „Ich würde gerne hier studieren“, sagte Ates anschließend der Berliner Zeitung. Keine schlechte Idee vielleicht, schließlich will die 53-Jährige an ihrer eigenen Moschee, die Mitte Juni mit der Arbeit beginnen soll, auch selbst als Imamin fungieren.

Je nachdem, für welchen Studiengang sich Ates entscheiden sollte (zur Auswahl stehen diverse Bachelor- und Masterstudiengänge in Islamischer Theologie, ein lehramtsbezogener Masterstudiengang sowie Weiterbildung von Lehrkräften), könnte die künftige Imamin Ates also etwa ab 2021 wissenschaftlich fundierte Predigten abhalten.

Mindestens so wichtig wie ein Studium ist Seyran Ates aber die Mitbestimmung am Institut. Den Islamischen Theologen wird ein Beirat an die Seite gestellt, wie es das Grundgesetz bei theologischen Fakultäten vorsieht. Dieser Beirat kann zwar keine Professoren berufen, kann aber seine Zustimmung im Einzelfall aus religiösen Gründen verweigern, wie es heißt.

Weiter keine Gebetsräume

Das birgt in diesem Zusammenhang naturgemäß für Sprengstoff. Neben Vertretern des Senats und der Uni sitzen in dem Beirat unter anderem auch Delegierte der Ditib und der Islamischen Föderation Berlin, aber etwa auch der Zentralrat der Muslime in Deutschland, dem vielfach Verbindungen zum Islamismus vorgeworfen werden. Für Seyran Ates ist diese Zusammensetzung geradezu Wasser auf ihre liberalen Mühlen. „Das ist typisch, das sind alles Konservative“, sagt sie. Ihre Konsequenz: „Ich möchte mit meiner liberalen Gemeinde in den Beirat des Instituts einziehen.“

HU-Präsidentin Sabine Kunst zeigte sich am Montag offen für mögliche Neuzugänge im Beirat.

Nun mag sich an der Humboldt-Universität mit der Institutsgründung einiges verändern, ein Gebetsraum für Muslime sei allerdings weiterhin nicht vorgesehen, sagt Kunst – so wie es auch für andere Religionen keine Gebetsräume gibt. „Das Neutralitätsgebot der Universität ist ein hohes Gut, das nicht aufs Spiel gesetzt werden darf“, sagt Präsidentin Kunst.