Zu wenige Gräber für Muslime in Berlin: Die Geringschätzung schmerzt
Grob und peinlich: Die Berliner Politik hat es über Jahre versäumt, genügend Raum für Gräber von Muslimen zu planen. Dahinter steckt mehr als Wurstigkeit. Ein Kommentar.

Die Teilnehmer der Kundgebung für mehr islamische Gräber in Berlin spannten am Freitag am Columbiadamm ihre Schirme auf; es stürmte, es regnete in Strömen. Das Wetter dürfte die Gefühle der Demonstranten widergespiegelt haben.
Nach dem angekündigten Stopp für weitere Bestattungen auf dem Landschaftsfriedhof Gatow, der hauptsächlich für muslimische Beerdigungen genutzt wird, sind sie enttäuscht, entsetzt, wütend. Wie könne es sein, dass Berlin über mehr als 200 Friedhöfe verfüge, muslimische Bestattungen aber in der Regel nicht in der Nähe zum Wohnort möglich seien, fragte ein Redner.
Vertreter der Politik wie Umweltstaatssekretärin Silke Karcher verwiesen während der Kundgebung auf die Bemühungen des Senats. Und aus der Verwaltung selbst hatte man zuvor schon verlauten lassen, dass ein Engpass bei muslimischen Bestattungen trotz der erschöpften Kapazität auf dem Friedhof in Spandau nicht drohe.
Von Absprachen mit der evangelischen Kirche ist die Rede. Sie schafft nun Platz auf ihren Friedhöfen für muslimische Gräber. Die Antwort auf die Frage, warum die Stadt nicht nachhaltiger geplant hat, bevor von einer Krise die Rede war, bleibt der Umweltsenat schuldig.
Laut Bezirksstadtrat Thorsten Schatz (CDU) stellte Jaraschs Behörde in der vergangenen Woche von einem Tag auf den anderen Mittel bereit, um den Friedhof in Spandau um 500 Gräber zu erweitern. Nach Angaben von Schatz hat Spandau ein knappes Jahr lang vergeblich mit dem Senat um grünes Licht und Geld für das neue Gräberfeld gerungen.
Die Ausnahmegenehmigung für eine Tötung von geschützten Zauneidechsen bei Bauarbeiten auf dem Areal legt nahe, dass Umweltsenatorin Bettina Jarasch (Grüne) nun eine Notlösung bereitstellt. Die Tiere hätten gerettet werden können, wäre früher gehandelt worden. Von Versäumnissen will aber niemand in Jaraschs Ressort vor der Wiederholungswahl am 12. Februar sprechen.
Ob der Landschaftsfriedhof Gatow rechtzeitig eine neue Fläche bekommt, hängt nun von Umweltschützern ab. Es ist möglich, dass sie noch den Rechtsweg wählen, um die Eidechsen zu retten. Dann könnte das Versprechen von 2000 neuen Gräbern in diesem Jahr für Berlins Muslime schnell Geschichte sein.
Die Verteidigungsstrategie des Senats ist simpel. Die Bezirke kümmern sich um ihre Friedhöfe, Punkt. Der Senat habe die Bezirksverwaltungen ja immer wieder „gebeten“, neue Grabflächen für muslimische Bestattungen zu benennen, erklärt Senatssprecher Thomsen. Doch dem Umweltsenat scheint es in der Not nun doch möglich gewesen zu sein, an einigen Strippen zu ziehen.
Ein Friedhof soll für die Muslime reichen
Das Beherrschen der einfachen Rechenarten und die Erkenntnis, dass Menschen sterben, hielt, auf welcher Verwaltungsebene auch immer, niemanden davon ab, die Frage nach neuen Grabstätten regelmäßig auf Wiedervorlage zu setzen. Über zwei Jahrzehnte galt: Ein Friedhof in Spandau sollte im Großen und Ganzen ausreichen für eine Bevölkerungsgruppe von rund 300.000 Menschen. Wie kurzsichtig, mindestens. Und wie unsensibel, wenn nicht roh.
Bis zu 70 Prozent der Berliner Muslime wollen hier, in dieser Stadt, beerdigt werden, schätzte der Umweltsenat bereits im Jahr 2012. 500 neue Gräber in Spandau und 2000 in der ganzen Stadt bleiben angesichts dieser Entwicklung ein Heftpflaster mit zeitlich begrenzter Wirkung.
Bestatter plädieren für Lösungen auf bestehenden christlichen Friedhöfen. Die Bereitschaft der evangelischen Kirche, mit Grabstätten auf ihren Friedhöfen dem Senat aus der Klemme zu helfen, weist in diese Richtung. Es wäre der Lebensrealität angemessen, wenn Berliner verschiedenen Glaubens gemeinsam die letzte Ruhe finden. Ein Redner auf der Kundgebung am Columbiadamm verwies auf die Aufbauleistung der sogenannten „Gastarbeiter“ nach dem Zweiten Weltkrieg. Anerkennung für das Lebenswerk dieser Generation sieht anders aus.
Die Enttäuschung ist groß
Berliner Muslime müssen den Eindruck haben, dass für ihre Verstorbenen in der Regel nur am Stadtrand Platz ist und künftig nicht einmal mehr das. Wer zählt in Berlin wirklich? Wer wird geschätzt? Ihre Antwort auf diese Frage dürfte auch angesichts der schwierigen Suche nach einem Grab für Angehörige anders ausfallen als die integrationsbeseelter Politiker im Wahlkampf.