Ja zu Tempo 130 auf deutschen Autobahnen! Langsamfahren für den Frieden!
Auf dem Heimweg aus den Osterferien beobachtet unser Autor auf der Autobahn ein seltsames Verhalten bei vielen Autofahrern: die Entdeckung der Langsamkeit.

Berlin-Das Ziel war Berlin – und auf der Autobahn war eine neue Bürgerbewegung unterwegs. Sie war durch kein Zeichen zu erkennen, aber durch ihr Verhalten.
Es gibt Symbole an manchen Autos, mit denen sich Leute als Fans von bestimmten Dingen outen. Zum Beispiel jene Aufkleber, die aussehen wie Inseln: Usedom, Sylt, Rügen. Oder die Fische, die manche Christen an ihre Autos kleben. Die neue Bürgerbewegung hat noch kein Erkennungszeichen, obwohl es einfach wäre: ein Aufkleber mit einer Zahl.
Ich kenne einen Mann, einen leidenschaftlichen schnellen Autofahrer. Doch das gehört nun der Vergangenheit an. Er hat sich neulich ein Peace-Zeichen für seine Halskette gekauft und außerdem stellt er den Tempomat im Auto auf 119 Kilometer pro Stunde und fährt in aller Ruhe durchs Land. „Weniger Stress“, sagt er, „und weniger Sprit.“
Auf seinem Aufkleber wäre die Zahl eine 119. Als wir in den Osterferien nach Berlin zurückfuhren, wäre die Zahl an vielen Autos eine 120 gewesen oder eine 130.
Es war auffällig, wie langsam viele fuhren. Dabei ist 130 noch immer eine enorme Geschwindigkeit – jedenfalls für Fußgänger und Radfahrer. Aber auf deutschen Autobahnen sah es bislang meist anders aus: Es gibt sogar Leute aus Nachbarländern mit Tempolimit, die extra zu uns kommen, um hier mal so richtig über die Autobahnen zu brettern – ohne Limit.
Doch nun gibt es offenbar eine mobile Antikriegsbewegung, die Sprit sparen will, damit nicht so viel Geld in Putins Kriegskasse fließt. Das mögen manche albern finden. Aber es kann kein Zufall sein, dass so viele Leute über so lange Abschnitte so absolut gleichmäßig Tempo 120 oder 130 fahren. Der Friedenstempomat regiert.
Spritsparen ist eine feine Sache. Ganz unabhängig vom Krieg. Aber leider funktioniert es mit dem Sparen nicht immer. Denn nicht alle in der Tourismusindustrie denken pazifistisch. In Bayern wollten wir zum Beispiel auf den größten Berg außerhalb der Alpen fahren. Hoch hinauf mit der Seilbahn auf den noch immer schneebedeckten Gipfel. Wir schauten vorher extra ins Internet. Dort wurde geprahlt, wie viele Lifts und Seilbahnen es gibt. Also fuhren wir hin. Als wir ankamen, fuhr aber kein einziger Lift. „Wir haben Revision“, sagte ein Mann. „Heute geschlossen.“
Wir ärgerten uns. Nicht nur, weil wir eine Stunde lang sinnlos unterwegs waren, sondern weil es auch ziemlich unökologisch war. Aber immerhin war es nicht 100-prozentig unökologisch: Denn obwohl wir zwei Familien mit zwei Autos waren, fuhren wir an diesem Tag mit nur einem Auto. Für die Umwelt. Für den Weltfrieden. Aber vor allem, weil es viel unterhaltsamer war.