Meldestelle Antifeminismus: „Absurd, von Cancel Culture zu sprechen“
Das Meldeportal Antifeminismus der Amadeu-Antonio-Stiftung rief Irritationen in der Öffentlichkeit hervor. Die Initiatorin Judith Rahner verteidigt das Projekt.

Von einem „Petz-Portal“ war die Rede, als die Meldestelle Antifeminismus der Amadeu-Antonio-Stiftung im Februar online ging. Frauen und Queere sollen auf dem Portal Attacken anzeigen können. Kritiker monieren, dass Vorfälle bekannt gemacht würden, ohne mutmaßliche Täter generell zu anonymisieren. Personen „öffentlichen Interesses“ könnten mit Klarnamen genannt werden, hieß es zunächst auf der Website der digitalen Meldestelle. Sie sprachen von Denunziation statt von Aufklärung.
Die CSU-Politikerin Dorothee Bär zeigte sich empört, dass das von Lisa Paus (Grüne) geführte Bundesfamilienministerium Fördergeld für die Meldestelle bewilligt hat und damit auf Staatskosten eine „Kultur des Anschwärzens“ unterstütze. Die Stiftung änderte inzwischen den entsprechenden Passus und verspricht nun, personenbezogene Daten weder zu speichern noch zu veröffentlichen. Die Stiftung hält an der umstrittenen Meldestelle fest. Initiatorin Judith Rahner erklärt sie gar für überfällig.
Frau Rahner, die Empörung in Medien und Politik über die Meldestelle Antifeminismus ist groß. Überrascht Sie das?
Nein, es gibt bestimmte Reizthemen, bei denen Aufregung garantiert ist. Die Genderdebatte gehört auf jeden Fall dazu. Das wissen auch Redaktionen. Mich hat erstaunt, wie Qualitätsmedien in der Sache gearbeitet haben. Meinungsäußerungen wurden mit falschen Angaben angespitzt, die niemand gegengecheckt hat. Es wurde nicht bei uns nachgefragt. Das hätte ich nicht erwartet.
Worin liegen denn Kritiker der Meldestelle Antifeminismus falsch?
Die Meldestelle ist ein Portal für Betroffene. Es geht nicht darum, jemanden zu denunzieren, sondern wir wollen dokumentieren, wenn Menschen im Rahmen ihrer Aufgabe angegriffen werden. Wir wollen das sichtbar machen und besser verstehen, zu welchen Anlässen und aus welchen Milieus Attacken kommen.
Klarnamen könnten in Broschüren auftauchen
Sie haben aber zunächst erklärt, dass Personen des öffentlichen Interesses mit Klarnamen genannt werden können. Jetzt versichern Sie, dass das nicht passieren wird. Haben Sie erkannt, dass Sie zu weit gegangen sind?
Wir haben präzisiert, wie die Meldestelle mit personenbezogenen Daten umgeht. Aber wir behalten uns immer noch vor, etwa in Broschüren auch Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens als Beispiele zu nennen, deren antifeministischen Handlungen der Meldestelle bekannt sind. Das ist wichtig für ein Lagebild zu einem Phänomen, das bisher zu wenig Beachtung gefunden hat.

Einschüchterungen sollen dokumentiert werden
In Deutschland herrscht Meinungs- und Redefreiheit. Es ist also auch ein Recht, nicht Feministin oder Feminist zu sein und das zu äußern. Wer sich dagegen beleidigend äußert, kann es mit der Justiz zu tun bekommen. Da erscheint Ihre Meldestelle doch zumindest überflüssig.
Es geht ja auch nicht um Wortmeldungen etwa zur Gendersprache, sondern um Handlungen, die andere bedrohen, oder Äußerungen, die dazu anstiften. Es ist nicht strafbar, vor dem Haus einer Lokalpolitikerin zu parken oder nach einer Veranstaltung einer Gleichstellungsbeauftragten zu sagen, man wisse, wo das Kind in die Kita geht. Die Folgen sind aber enorm. Es kann dazu führen, dass sich die Betroffenen nicht mehr zu bestimmten Themen äußern. Natürlich ist die Polizei die richtige Adresse, wenn es um Straftaten geht. Aber das BKA hat erst 2021 die Kategorie „Frauenfeindlichkeit“ dem Katalog der Hasskriminalität hinzugefügt. Wir wollen das Dunkelfeld sichtbar machen und aufzeigen, dass Antifeminismus eine Haltung ist, die zu bestimmten Handlungen führen kann.
Was macht Antifeminismus aus Ihrer Sicht gefährlich? Die persönliche Vorliebe für tradierte Rollenbilder geht in einer Demokratie doch niemanden etwas an und jedem steht es frei, für sie zu werben.
Das ist richtig, das ist aber auch kein Antifeminismus. Wir verstehen unter Antifeminismus ein geschlossenes Weltbild und eine Strategie antiliberaler Kräfte. Wir haben in Russland gesehen, wie das Genderthema zu einem Aufhänger für die Auseinandersetzung mit dem Westen wurde. Ich erinnere an die russischen Gesetzte gegen die sogenannte LGBT-Propaganda. Es gibt auch im Westen Strömungen, die das aufgreifen, weil sie die demokratische Gesellschaft ablehnen.
Angriffe sind zum Teil vulgär
Liefern Sie dem Antifeminismus mit der Meldestelle nicht gerade gute Argumente? Es bietet sich doch förmlich an, wieder von einer Einschränkung der Meinungsfreiheit durch politisch korrekte Zensoren zu sprechen.
Noch mal, wer sich genau damit befasst, was wir tun, muss erkennen, dass es uns nicht um Meinungen geht. Es ist ohnehin absurd, von Cancel Culture zu sprechen. Diejenigen, die sich ständig so äußern, können sich immer wieder in Talkshows zur besten Sendezeit darüber beklagen. Es gibt aber viele Frauen und auch queere Menschen, die zum Teil mit vulgären Methoden mundtot gemacht werden sollen. Ich frage mich, ob eine Demokratie es sich leisten kann, diese Menschen alleinzulassen.