Jürgen Resch: Geschäftsführer der Deutsche Umwelthilfe im Porträt

Jürgen Resch ist abseits der großen Bühne zurzeit schwer zu erreichen. Gerichtsverhandlungen, Pressekonferenzen – ein Termin folgt auf den nächsten für den Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Die Tage sind eindeutig zu kurz.

Eigentlich habe er nur eine Viertelstunde Zeit, warnt seine Pressesprecherin. Resch macht eine Dreiviertelstunde draus. Er redet sich schnell in Fahrt – und es ist ihm wichtig, dass seine Argumente richtig verstanden werden. Denn im Moment hat er das Gefühl, dass das nicht immer der Fall ist.

„Die Demokratie verteidigen“

Der Mann mit dem schlohweißen Haar und der schwarzen Brille ist zurzeit wohl einer der umstrittensten Männer im Land. Dieselfahrer schimpfen auf ihn, weil sie ihn dafür verantwortlich machen, dass es bald in vielen Innenstädten Fahrverbotszonen für ihre Autos gibt. Denn Resch und die Deutsche Umwelthilfe zogen vor Gericht und erstritten wegen der schlechten Luft entlang der großen Straßen Sperrzonen für Diesel in Bonn, Gelsenkirchen, Hamburg, Mainz, Frankfurt am Main, Essen, Köln und Stuttgart. Resch geht es dabei nicht nur um die Umwelt. Er selbst nennt es: „Die Demokratie verteidigen.“ Darunter geht es nicht.

In Berlin müssen acht vielbefahrene Straßen für Diesel gesperrt werden, zusätzlich will die DUH neuerdings Teile der Stadtautobahn zur Tabuzone für Selbstzünder erklären. Der Senat will in der kommenden Woche entscheiden, ob man gegen das Urteil in Berufung geht. Mehr als 200.000 Autofahrer sind betroffen – so viele wie in keiner anderen deutschen Stadt.

Held und Paragrafenreiter

Die Landespolitiker schütteln über Reschs Pläne inzwischen parteiübergreifend den Kopf, weil die Fahrverbote die ohnehin verstopfte Stadt nah an den Kollaps bringen dürften. Vertreter der Autobranche rümpfen ohnehin die Nase über Reschs „Abmahn-Verein“ – und fürchten doch seine Macht.

Was Resch für die einen zum penetranten Paragrafenreiter macht, macht ihn für manche Radfahrer, Fußgänger und Umweltschützer zum Helden. Endlich einer, der sich was traut im Kampf um saubere Luft. Endlich einer, der nicht vor der Industrie buckelt, wie es die Bundespolitik so oft tue. Und die Gerichte geben der Umwelthilfe recht: Noch nie hat die DUH im Kampf um ein Fahrverbot verloren.

Was aber treibt Jürgen Resch überhaupt an? Und wie gelingt es der Deutschen Umwelthilfe, die nur rund 350 Mitglieder hat, Deutschlands Großstädte reihenweise in die Knie zu zwingen?

Gerechtigkeit für eine tote Singdrossel

Mit einer toten Singdrossel fing alles an. Resch war gerade 21 Jahre alt und Vogelwart bei der Umweltschutzgruppe des BUND in Radolfzell am Bodensee. Resch entschied sich gegen eine Zeit bei der Bundeswehr und für den Zivildienst am Bodensee.

Den toten Vogel fand er bei einem Kontrollgang unter einem Baum. Dann wurden ihm von Anwohnern weitere Vögel aus der Umgebung geliefert. Todesursache unklar. Resch ließ die Vögel untersuchen. Endrin hatte sie getötet – ein Insektizid und Nervengift, das damals noch im Getreideanbau eingesetzt wurde.

Er sei damals zur Biologischen Bundesanstalt nach Braunschweig gereist, erzählt Resch, und habe jedem Mitglied des Sachverständigenrates einen toten Mäusebussard auf den Tisch gelegt. Vier Monate später wurde Endrin in Deutschland verboten. 19 Jahre bevor ein UN-Vertrag den Einsatz des Gifts weltweit untersagte.

Studienabbruch für die Deutschen Umwelthilfe

Das erste Verbot, der erste Erfolg – Reschs Karriere im Umweltschutz war geebnet. Ein Ruf als PR-begabter Überzeugungstäter eilt dem 58-Jährigen heute voraus. Schon als Jugendlicher stellte er den Naturschutz über die Hausaufgaben. Zweimal blieb er sitzen und machte als ältester Schüler an seiner Schule Abitur. Resch erzählt das frei heraus, er geniert sich nicht: „Ich hab schon damals zu viel nebenher gemacht.“

Nach dem Abitur studierte er Verwaltungswissenschaften in Konstanz, arbeitete währenddessen beim BUND. 1986 brach er sein Studium ab, um zuerst Assistent des damaligen Vorsitzenden der Deutschen Umwelthilfe zu werden. Nach nur zwei Jahren wurde er zum Bundesgeschäftsführer ernannt.

Abmahnungen an Autohäuser und Immobilienmakler

In seinen 30 Jahren an der Spitze hat Resch die DUH zum wohl einflussreichsten Umweltverband gemacht, den es derzeit in Deutschland gibt. Dabei wurde die DUH in den 70er-Jahren parallel zum BUND gegründet, um für den BUND Spenden einzusammeln. Als eigenständiger Umweltverband agieren sollte die Umwelthilfe nach damaligen Plänen allerdings nicht. Auch heute hat die DUH nur 347 Mitglieder und 111 Mitarbeiter – bei BUND oder Greenpeace füllen hingegen Hunderttausende Mitglieder die Kassen. Aber die bescheidene Rolle des Spendensammlers passte nicht zu den Vorstellungen von Jürgen Resch.

Er hat Wege gefunden, um die Einnahmen und die Macht der DUH zu mehren. Eine Abteilung des Vereins ist ständig damit beschäftigt, Abmahnungen an Autohäuser und Immobilienmakler zu verschicken, die gegen die Regeln zur Energieverbrauchskennzeichnung verstoßen. Das passiert häufig, viele Briefe gehen raus mit der Forderung, in wenigen Tagen Hunderte Euro zu begleichen – und nicht wieder straffällig zu werden, sonst steige der Strafbetrag auf Tausende. Die Abmahnungen sind ein lukratives Geschäft: Die DUH nahm 2016 laut Jahresbericht 2,5 Millionen Euro ein.

Spenden vom japanischen Autobauer

Den Großteil des fast Acht-Millionen-Euro-Budgets – fünf Millionen Euro 2016 – finanziert die DUH aus Spenden und sogenannten Projektzuschüssen. Im Gegensatz zu anderen Umweltverbänden erlaubte sie es sich von Anfang an, auch Geld von Industrieunternehmen und Wirtschaftsverbänden anzunehmen. Der japanische Autobauer Toyota zum Beispiel unterstützt die Umwelthilfe seit 18 Jahren mit einem mittleren fünfstelligen Betrag für Projekte zur CO2 -Reduktion.

In diesem Jahr würden 30.000 Euro vom japanischen Autobauer gespendet. Ein „Promillebereich unseres Budgets“, so Resch. Allerdings zählt Toyota zu den Herstellern, die schon früh nicht auf Diesel-, sondern auf Hybridantrieb setzten. Prozesse gegen Dieselautos dürften die Japaner nicht stören.

Vorwürfe: Aus dem Ausland fremdgesteuert

Wegen solcher Verbindungen wird regelmäßig Kritik an Resch und der Umwelthilfe laut. Zurzeit setzt sich der Bezirksverband Nord-Württemberg der CDU dafür ein, der DUH die Gemeinnützigkeit entziehen zu lassen. Der Vorwurf: Die Umwelthilfe lasse sich von ausländischen Autoherstellern wie Toyota kaufen. Aus dem Ausland fremdgesteuert sei die DUH, so die CDU, mit dem Ziel den deutschen Autobauern zu schaden. Dass der Vorstoß aus dem Land von Daimler und Porsche kommt, ist vielleicht auch nicht ganz zufällig.

„Das ist ein Versuch, uns zu diskreditieren und zu diffamieren“, sagt Resch zu den Vorwürfen. Für die Feststellung der Gemeinnützigkeit sei das Finanzamt zuständig, bisher habe man „alle Prüfungen mit Bravour“ bestanden.

DUH-Fokus liegt auf der Autobranche

Es gibt auch noch andere wichtige Unterstützer: Die Bundesregierung selbst gibt zum Beispiel deutlich mehr Geld als Toyota. Über das Umweltministerium und das angeschlossene Umweltbundesamt erhält die Organisation Unterstützung für Projektarbeit – 2017 und 2018 waren es rund 164.000 Euro, wie das Umweltbundesamt der Berliner Zeitung mitteilte.

Schon seit Jahren konzentriert sich die DUH mit ihrer Arbeit auf die Autobranche. Statt Pressemitteilungen setzt sie Klagen auf. Zuerst ging es um Rußpartikelfilter und die Einrichtung von Umweltzonen, jetzt sind die Fahrverbote dran.

„Das ist doch irre“

Dabei – das klingt zunächst für viele absurd – inszeniert sich Resch selbst auch als Anwalt für die Dieselfahrer. Seine Argumentation: Nur mit Fahrverboten werde der Druck auf die Bundesregierung groß genug, um endlich Hardware-Nachrüstungen für die geschassten Verbraucher zu erwirken – und so langfristig die Luft in Innenstädten zu verbessern.

Für Resch ist die Lage klar: Die DUH klagt lediglich ein, was schon lange Realität sein sollte. Dass sich die Politik immer noch weigert, die Grenzwerte für Stickstoffdioxid einzuhalten; dass Angela Merkel entgegen des EU-Gesetzes zuletzt eigenhändig den Grenzwert von 40 Mikrogramm auf 50 Mikrogramm anzuheben versuchte, kann Resch kaum glauben. „Das ist doch irre“, sagt er empört. „Eigentlich sind wir schon lange am Ende der Verweigerungsmöglichkeiten angekommen.“

Diskussion um Autos ist „hoch emotional“

Resch weiß aber auch, dass es ganz so einfach nicht ist. Grenzwerte in Mikrogramm, unter Experten umstritten und verordnet auf EU-Ebene – das ist etwas Abstraktes, für viele kaum Greifbares. Das eigene Auto in der Garage hingegen, der kilometerweite Umweg zur Arbeit – das ist konkret, geht ans Geld und nervt. Mit Forderungen wie der Dieselsperre auf der Berliner Stadtautobahn könnte die DUH außerdem große Teile der Stadt lahmlegen. Schon lang nicht mehr verhältnismäßig seien Reschs Forderungen, klagen inzwischen auch Politiker, die der DUH einst wohlgesonnen waren.

Resch hört die Beschwerden, er tut sie nicht als albern ab. Dazu weiß er auch zu gut mit Presse und Öffentlichkeit umzugehen. Die Diskussion um Autos in Deutschland habe Ähnlichkeit mit der Diskussion um das Waffenrecht in den USA, findet er. Beinahe ein Heiligtum, „hoch emotional“ besetzt. Doch für ihn sind die Beschwerden am Ende Klein-Klein. Überzeugungstäter Resch hat das große Ganze im Blick, er will saubere Luft. Wenigstens so sauber, wie es das Gesetz verlangt – koste es den einzelnen Fahrer, was es wolle.

Mit dem Flugzeug nach Hause

DUH-Chef Resch selbst fährt übrigens einen elektrischen Renault Zoe, zur Überbrückung, bis der Tesla kommt, auf den er schon seit Jahren wartet. Die Strecke vom Berliner Büro der DUH am Hackeschen Markt bis nach Radolfzell am Bodensee, wo die DUH-Verwaltung sitzt und Reschs Familie lebt, fährt er allerdings weder mit Auto noch Bahn.

Er fliegt, mindestens zwei bis dreimal im Monat. Eigentlich eine Umweltsünde höchsten Grades. „Lässt sich leider nicht vermeiden“, sagt er. Wer das große Ganze im Blick hat, den darf das Klein-Klein wohl nicht stören.