Julius Pintsch: Der legendäre Klempner vom Stralauer Platz

Ein S-Bahn-Halt auf freier Strecke ist selten erfreulich. Zudem weiß man nie, wann es weitergeht. Ereignet sich der Stopp allerdings zwischen Ostbahnhof und Jannowitzbrücke, etwa auf Höhe der Andreasstraße, so könnte der Zwischenfall zumindest beim stadtgeschichtlich interessierten Passagier durchaus Freude auslösen.

Schließlich darf er so entdecken, was ihm als Passant auf der Straße stets verborgen bleibt: eine Fassaden-Inschrift weiß auf schwarz, mehrere Quadratmeter groß, mehr als ein Jahrhundert alt. „Julius Pintsch Aktiengesellschaft“ ist an der Hauswand zu lesen.

Der Stralauer Platz als vielversprechender Standort

Es sind drei Wörter, die den steilen Aufstieg eines Berliner Klempners dokumentieren. Denn das war jener Julius Pintsch. 1815 wurde er hier geboren. Mit 28 Jahren eröffnete in einem Kellerraum seine eigene kleine Werkstatt. Dass er sich dabei ausgerechnet für den Stralauer Platz in Friedrichshain entschied, sollte sich bald als förderlich erweisen.

Denn auf dem Areal zwischen Ostbahnhof und Spree wuchs in der Mitte des 19. Jahrhunderts gerade das neue Gas-Zentrum der Stadt heran. Nachdem 1826 die ersten Gaslaternen erleuchteten, wurde in den 40ern eine umfassende Gasversorgung in der Stadt aufgebaut.

Vom Klempner zum Unternehmer

Auch am Stralauer Platz, ganz in der Nähe von Pintschs Werkstatt, war eine weitere Gasanstalt geplant. Die junge Gasag bescherte Pintsch bald die ersten Reparaturaufträge und ließ ihn immer mehr vom Klempner zum Gastechnik-Spezialisten werden.

So konstruierte er bald einen Gasmesser, für dessen Produktion er ebenfalls am Stralauer Platz eine eigene Fabrik baute. Doch der Markt forderte einen langen Atem. Erst vier Jahre später bekam er vom Berliner Magistrat einen Auftrag über 50 Gasmesser.

Das war 1851 und der Anfang einer erfolgreichen Unternehmer-Story. Die überlegene Qualität dieser Geräte führte zu weiteren Bestellungen aus dem In- und Ausland. Pintsch expandierte und ließ 1863 eine größere Fabrik eben in der Andreasstraße 73 errichten, wo sein Name bis heute zu lesen ist.

Denkmalgeschützt, aber ungenutzt

Gasmesser waren bald nicht mehr das wichtigste Produkt. Pintsch brachte die Gasbeleuchtung in Eisenbahnzüge und hielt dafür einige Patente. Er konstruierte auch gasbetriebene Leucht-Bojen, die weltweit im Einsatz waren.

Als Julius Pintsch 1884 starb, hatten seine Söhne das Unternehmen bereits übernommen und fortgeführt. 1967 wurde es vom Thyssen-Erben Hans Heinrich Thyssen-Bornemisza übernommen, der es aufteilte und verkaufte.

In der Andreasstraße 73 residierte zu DDR-Zeiten der VEB Fahrzeugausrüstung Berlin und produzierte wiederum Ausrüstungen für Schienenfahrzeuge. Seit 1997 ist das denkmalgeschützte Gebäude ungenutzt. Gerade wechselte es den Besitzer und wird nun saniert und zu einem Büro- und Geschäftshaus umgebaut.