Juso-Chef Kevin Kühnert und Anke Stelling zu Gast bei Simi Will

Kurz vor acht am Freitagabend kommen Simi Will Zweifel, ob er überhaupt erscheinen wird, der Kevin, noch dazu so kurz vor der SPD-Klausur. Es sei schon einige Zeit her, dass er zugesagt hat. Zuvor habe sie eine „lange E-Mail-Freundschaft mit seiner Kollegin oder Assistentin“ geführt.

Dabei ist alles bereit in der Neuköllner Kneipe Valentin Stüberl. Die verrauchte Luft brennt in den Augen, und alle Bierbank-Plätze – es sind vielleicht sechzig – sind dicht besetzt, bis auf den einen an Tisch acht. Der ist für den Juso-Vorsitzenden Kevin Kühnert reserviert ist, 29 Jahre alt, geborener Steglitzer, nicht unumstrittener Shooting Star der SPD.

Hoffnungsträger Kevin Kühnert

„Hoffnung“ ist das Thema der allmonatlich stattfindenden Kneipentalkshow, die Simi vor ein paar Jahren erfunden hat, in der Kneipe ihres Ex-Freunds, in der sie früher kellnerte. Der zweite Talk-Gast, die Schriftstellerin Anke Stelling, die gerade mit ihrem Buch „Schäfchen im Trockenen“ Furore macht, ist längst da. Und während man wartet, überlegt man, warum einer wie Kühnert, der bei der Auswahl seiner Interviewpartner als wählerisch bekannt ist, ausgerechnet hierherkommen soll.

Vielleicht weil er mithilfe dieses kultigen Kiezformats sein Popstar-Image pflegen kann, vielleicht, weil es einfach mal was anderes ist, vielleicht, weil erst kürzlich sein Parteifreund Martin Hiekel hier war, Bürgermeister von Neukölln. Er kommt jedenfalls, in Jeans und blauem Hemd mit hellen Pünktchen, womit er gut hierher passt.

Simi Will stellt ihn als „Hoffnungsträger“ vor, und er wird noch mal für seinen GroKo-Widerstand gefeiert und seinen „Fame“, wie es bei Simi heißt. Aber der reicht nicht überall hin, wie der Einspieler mit der Umfrage im Reuter-Kiez zeigt, die lautet: „Kennen Sie Kevin Kühnert?“ Nein, sagt der junge Mann mit dem Hipsterbart. Nur aus einem Liedtext von Pigor und Eichhorn kann er zitieren: „Du, wenn der erste Bundeskanzler Kevin heißt.“ Alle lachen, auch Kühnert, der da schon mit einem Bier in der Hand auf dem Tresen Platz genommen hat. Seine Mutter sei halt Fan des englischen Fußballers Kevin Keegan gewesen.

Juso-Chef muss nebenher noch arbeiten

Ungefragt berichtet er vom vergangenen dreiviertel Jahr. „Wir haben uns eingeschlossen, richtig diskutiert und beschlossen, Hartz IV hinter uns zu lassen.“ Applaus. „Alle wissen, was nottäte, aber man muss es machen“, sagt Anke Stelling dazu. Naja, nicht alle. Kevin Kühnert spricht von einem ehemaligen Parteivorsitzenden „mit viel Testosteron“.

Aber da man schon mal beim Geld ist. „Was verdient man denn eigentlich als Juso-Chef?“, fragt Simi Will. „Das ist ein Ehrenamt“, sagt Kühnert. Eine Aufwandsentschädigung bekomme er. „Insofern arbeite ich noch.“ In der Zukunft will er wohl für das Politikmachen bezahlt werden. Jetzt aber amüsiert es ihn noch, wenn vor einem Auftritt irgendwo, der Hinweis komme, wo sein Fahrer warten könne. „Ich habe weder einen Dienstwagen noch einen Fahrer.“ Auch das kommt gut an im Stüberl.

Es geht noch um die Europawahl – „Wer jetzt nicht kapiert, dass es fünf vor zwölf ist.“ – um die Gelbwesten, um die AfD, „Feinde der offenen Gesellschaft“. Simi Will sagt, er habe sich für einen Politiker ja ziemlich normal verhalten. Und viel sympathischer als im Fernsehen sei er auch. Das stimmt. Und so nahbar. Später sieht man ihn mit Gästen plaudern.

Auch Anke Stelling sagt noch einmal etwas zum Thema Politik. Es nötige ihr Respekt ab, wenn einer da reingehe. Denn voran komme man dort nur in kleinen Schritten. Draußen aber sind die Schritte nicht so klein. Das Paar, das neben Kühnert an Tisch acht sitzt, ist vor kurzem an den Stadtrand gezogen. Die Miete in Neukölln wurde zu hoch.