Kältehilfe Berlin zieht Bilanz: Warum das Elend in Berlin steigt

Berlin - Noch nie gab es in Berlin im Winter so viele Übernachtungsplätze wie in diesem und dem Jahr zuvor. 1200 Plätze stellen Einrichtungen wie Caritas und Diakonie im Rahmen der Kältehilfe in den Wintermonaten zur Verfügung, etwa 500 sind es noch bis Ende April. „Das ist ein absoluter Rekord und ein gemeinsamer Erfolg“, sagt Ulrike Kostka, Direktorin des Caritasverbandes für das Erzbistum Berlin. Doch die vielen Plätze geben auch Grund zur Sorge. „Die Kältehilfe ist seit jeher ein Seismograph für Entwicklungen in unserer Stadt und – im Wortsinne – ein Armutszeugnis.“ Denn das Elend in der Stadt wird immer größer.

Ulrike Kostka fordert deshalb eine „ganzjährige Strategie“ und eine „nachhaltige Armuts- und Wohnungspolitik“. Die Plätze der Kältehilfe seien nur ein „letztes Hilfenetz“. In den Schlafsälen gibt es für die Obdachlosen keine Rückzugsmöglichkeit und keine Privatsphäre. Immer häufiger kommt es dort Gewalttätigkeiten. Sicherheitsdienste versuchen, die Konflikte zu reduzieren. Barbara Eschen, Direktorin des Diakonischen Werkes Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, sprach anlässlich der Kältehilfe-Bilanz von einer „dramatischen Situation“, denn viele Obdachlose hätten längst aufgegeben.

„Wir brauchen für sie einen „Einstieg in den Ausstieg“, sagte Eschen. Besonders gefährdet sind wohnungslose Frauen. „Sie schaffen es lange, ihre Wohnungslosigkeit zu verbergen, kommen bei Bekannten unter, und geraten in Abhängigkeitsverhältnisse, die ihnen nicht guttun“, sagt Eschen. Diesen Winter gab es 144 Notübernachtungsplätze für Frauen, 44 bleiben das ganze Jahr bestehen. Das reichen nicht.

Das Elend steigt: Sozialsenatorin Ulrike Kostka lehnt Zelt-Unterkünfte für Obdachlose ab

Evas Obdach etwa, eine Notunterkunft in Mitte für obdachlose Frauen, musste vergangenes Jahr etwa 600 Frauen wegschicken, weil es keine freien Plätze mehr gab. Etwa 3800 Frauen zwischen 18 und 88 fanden dort eine vorübergehende Bleibe. „Viele Frauen sind psychisch traumatisiert“, sagt Sozialarbeiterin Martina Schmidt. Und brauchen ärztliche Hilfe. 

Caritas-Direktorin Kostka lobt zwar das „strategische Miteinander“ und die immer engere Zusammenarbeit mit dem Senat, es seien aber mehr ganzjährige Hilfseinrichtungen nötig, weil Obdachlose dort psychologische Beratungen, Ruhe und Vertrauen finden. „Wir müssen uns auf das Tempo der Betroffenen einlassen“, sagt Ulrike Kostka. Unterkünfte in Zelten, wie sie Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linke) derzeit vorschlägt, lehnen Kostka und Eschen ab. „Menschen gehören in Wohnungen und feste Unterkünfte“, sagen sie.