Kalter Krieg in Berlin: Die Abhörstation auf dem Teufelsberg soll geöffnet werden

Wenn Marvin Schütte vom Teufelsberg – oder besser: der dortigen Abhörstation der Amerikaner und Briten im Kalten Krieg – redet, spricht er von einem „Lost Place“, einem Platz, der für die Berliner verloren ist. Nur zu Führungen durfte man auf das umzäunte Gelände. Bisher. Er will es jetzt öffnen.

Marvin Schütte ist seit 1. September der neue Pächter auf dem Berg. Seinem Vorgänger wurde gekündigt, weil er angeblich die Einnahmen nicht ordnungsgemäß abgeführt hat. Ein Rechtsstreit ist bereits angekündigt.

Schüttes ist der Sohn von Hanfried Schütte, einem Architekten aus dem niedersächsischen Bad Pyrmont. Dieser hatte zusammen mit Kompagnons vor 19 Jahren das Gebäudeensemble vom Senat erstanden. 5,2 Millionen Mark zahlten sie für das 4,8 Hektar große Gelände. Doch die Ideen für ein Hotel mit Tagungszentrum, ein Spionagemuseum und teure Wohnungen ließen sich nie verwirklichen – unter anderem, weil das Geld ausging, aber auch, weil Naturschützer protestierten. 2006 verfiel mangels Tätigkeit die Baugenehmigung. Mittlerweile darf auf Berlins zweithöchstem Berg überhaupt nicht mehr gebaut werden. Die Gegend gilt heute als Wald.

Doch selbst danach versuchten die Eigentümer, ihr Objekt zu refinanzieren. So wurde 2007 bekannt, dass Hollywood-Regisseur David Lynch („Blue Velvet“, „Twin Peaks“) dort eine „Universität unbesiegbares Deutschland“ bauen wollte. Zusammen mit der Maharishi Weltfriedensstiftung wollte der Exzentriker die Technik der Transzendentalen Meditation protegieren – sehr zur Sorge etwa des Sektenbeauftragten der evangelischen Kirche, der vor dem esoterischen Hokuspokus warnte. Ein Grundstein für die Yogi-Uni war schon gelegt. Mehr kam nie zustande.

Zaun und Wachschutz halfen nicht

Unterdessen verkam das Gelände unaufhaltsam weiter. Die ab den 50er Jahren errichtete und im Laufe der Zeit immer weiter ausgebaute Abhöranlage mit ihren markanten weißen Kuppeln wurde zum Ziel von Vandalen und Künstlern. Wobei die Rollen nicht immer ganz leicht zu trennen sind. Weder Zaun, noch Wachschutz hat sie jemals wirksam abhalten können.

Jedenfalls ist heute vieles zerzaust und zerfetzt und zum Teil – nun ja – bemalt. Überall liegen Trümmer, prangen Graffiti und Street Art, machen das Gelände zu einer urbanen Galerie mitten im Grunewald. In dieser Galerie herrscht wohlgemerkt eine Art organisiertes Chaos mit fest vergebenen Wänden zum Besprayen – und der Gewissheit, dass nicht schon einen Tag später der nächste Künstler kommt und das Vorherige zerstört. Schütte ist überzeugt: „Wir sind größer als die East Side Gallery. Und unsere Kunstwerke sind schöner.“ Könnte stimmen.

Nun will der neue Pächter den Teufelsberg aus seinem Dornröschenschlaf erwecken. Ihm schwebe eine „Open Mind Area“ vor, „ein Hotspot für Kunst, Kultur, Freizeit und Sport“, sagt der 36-Jährige, der in Karlshorst wohnt. In einem abgeschlossenen Bereich will er feste Ateliers einrichten, Street-Art-Galerien etablieren, einen Hochseil-Parcours anbieten, eine Freikletter-Anlage aufbauen, aber auch Veranstaltungsräume und -flächen schaffen. „Aber es soll keine Partys geben“, verspricht er. In einem öffentlichen Bereich ist ein Museum des Ortes geplant, der im Kalten Krieg eine so wichtige wie verschwiegene Rolle gespielt hat, auch ein Restaurant. Irgendwer muss ja Geld verdienen. Vor allem aber will und muss Schütte die Ruine vor dem weiteren Verfall bewahren und so viel wie möglich sanieren. Schließlich gilt Ensembleschutz. Soll heißen: Die weißen Kuppeln sollen weiterhin weithin sichtbar sein.

Schon jetzt werkeln Künstler aber auch Ingenieure in der Ruine. Mietfrei können sie die Räume nutzen, sollen aber etwa bei den Sicherungsarbeiten auf dem großen Turm helfen. Um diesen Besuchergruppen zugänglich zu machen, muss zum Beispiel an vielen Stellen ein Geländer gezogen werden.

Überhaupt ist die Zahl der Einzelbaustellen auf dem Gelände kaum absehbar. Genau so wenig wie ihre Finanzierung. Schütte sagt, er habe Geld für etwa fünf Jahre. Bis dahin will er eine Genossenschaft mit möglichst vielen Mitgliedern zusammengestellt haben. Größere Geldgeber möchte er ausdrücklich nicht darin wissen, ein Mitspieler ist Schütte aber ganz wichtig: „Es wäre schön, wenn wir nach Gesprächen feststellen könnten, dass der Senat mit vielleicht 10 oder 15 Prozent Anteilseigner wird.“ Mal sehen, was aus diesen Plänen wird.