Kampagne des Senats: Ein Blick über die Schulter kann Leben retten

Innerhalb einer Dreiviertelstunde ereigneten sich am Mittwochmorgen drei schwere Unfälle. Eine Radfahrerin starb, zwei Radfahrerinnen wurden verletzt. In zwei Fällen waren Lastwagenfahrer schuld, die beim Abbiegen nicht richtig aufgepasst hatten, im dritten Fall trug die Radlerin die Verantwortung.

Von den drei Unfällen war der erste der schwerste. Er geschah gegen 7 Uhr an der Karl-Marx-Allee in Friedrichshain. Ein Lkw-Fahrer, der nach rechts in die Straße der Pariser Kommune abbiegen wollte, übersah eine Radlerin, die geradeaus weiterfuhr. Der Lkw erfasste die 39-Jährige auf dem Fahrrad, die Frau starb noch am Unfallort.

Eine Viertelstunde später an der Gotthardstraße in Reinickendorf: Dort erfasste ebenfalls ein abbiegender Lastwagen eine Radfahrerin. Der Lkw wollte nach rechts in die Scharnweberstraße fahren. Die 48-Jährige stürzte. Sie wurde schwer verletzt ins Krankenhaus gebracht.

Gegen 7.45 Uhr krachte es dann an der Gartenstraße in Mitte. Diesmal missachtete eine 46-jährige Radfahrerin die Vorfahrt eines Kastenwagens, der an einer Rechts-vor-links-Kreuzung aus der Tieckstraße einbiegen wollte. Auch sie kam verletzt zur stationären Behandlung.

Für Verkehrssicherheitsexperten sind Unfälle wie diese ein Beleg dafür, dass noch viel zu tun bleibt. „Wir bohren ein dickes Brett“, sagte Burkhard Horn, der oberste Verkehrsplaner des Senats. Aufpassen beim Rechts-Abbiegen – das ist eines der Themen, mit denen sich die Senatskampagne „Berlin nimmt Rücksicht“ befasst. Auf der Internetseite www.berlin-nimmt-rücksicht.de lautet Tipp Nummer 10: „Man soll im Leben zwar nie zurückblicken, sondern immer nach vorne schauen, aber ein kurzer Blick zurück über die Schulter vor dem Rechts-Abbiegen ist lebenswichtig! Was für dich als Autofahrer nur eine kleine Drehung im Genick bedeutet, kann das Genick des Radfahrers retten. Also: nicht durchdrehen, sondern einfach mal umdrehen!“

Berliner Exportartikel

Der trotz des ernsten Themas lockere Ton zeigt, wie die Kampagnenmacher vorgehen: Sie wollen die schulmeisterliche Anmutung, die frühere Verkehrssicherheitsaktionen altbacken erscheinen ließ, vermeiden. Kurz, knapp und knallig kommen die Slogans daher, mit denen sie für Rücksicht wie für ein Markenprodukt werben. Beispiel: „Rücksicht im Straßenverkehr: jetzt testen!“ Angesprochen sind alle Verkehrsteilnehmer – nicht nur Auto-und Radfahrer, auch die Fußgänger.

2012 fiel in Berlin und Freiburg der Startschuss zu der Rücksicht-Kampagne, die damals noch vom Bund unterstützt wurde. „Ich freue mich sehr, dass wir unsere Kampagne weiterführen können, auch ohne Bundesförderung. Das verdanken wir auch den beteiligten Unterstützern und Sponsoren“, so Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD). „Wir gewinnen auch immer noch weitere Partner.

Auch das zeigt, dass die Kampagne in Berlin sichtbar ist und wahrgenommen wird.“ Zuletzt kam die Firma Drive Now hinzu, deren Mietautos vielerorts in der Innenstadt verteilt sind. Wenn Kunden die Autos in Gang setzen, erscheinen künftig Kampagnenmotive auf den Bildschirmen.

„Wir stoßen auf viel Akzeptanz“, sagte Horn. Bei einer Befragung gab ein Viertel der Teilnehmer an, schon mal ein Plakat wahrgenommen zu haben. „Ein guter Wert. Dies zeigt, dass wir ein wichtiges Thema getroffen haben“, so der Planer. Nach Berliner Beispiel werden auch anderswo Kampagnen vorbereitet – etwa in Bonn, Trier sowie im Landkreis Fürth. Interesse gibt es unter anderem in Kassel, Heilbronn und Bremerhaven. „Es bleibt noch viel zu tun, um die Masse der Verkehrsteilnehmer zu erreichen“, sagte Horn. Doch der Anfang ist gemacht.