Keine Heizung, kein Wasser und Schimmel an den Wänden: Haus in Neukölln unbewohnbar
Aufgebrochene Briefkästen, ein kaputter Fahrstuhl und das Knirschen des Bauschutts unter den Sohlen sind die ersten Eindrücke beim Betreten des Hauses in der Allerstraße 42 in Neukölln. Viele Türklingeln wurden abgerissen, die Namen der Bewohner mit Filzstift an die Tür geschrieben. Ein Blick ins Treppenhaus genügt, um zu wissen, dass das Gebäude ein Gesundheitsrisiko darstellt. Schimmel zieht sich über die Wände bis zur Decke. In der hintersten Ecke gab es einen großen Wasserschaden. Bis vor kurzem wohnten noch zwei Familien in dem Elf-Parteien-Miethaus. Jetzt hat das Bezirksamt reagiert. Es erklärte das Haus für unbewohnbar, die letzten beiden Familien zogen aus.
Riad Diabs Familie hatte bis zum Schluss die katastrophalen Zustände ertragen, weil ihr das Geld für eine neue Bleibe fehlte. Diab lebte seit 2006 in dem Haus, damals waren noch alle Wohnungen vermietet. Nach und nach aber seien alle Parteien aufgrund der unzumutbaren Zustände im Haus ausgezogen, erzählt er. Als die Unbewohnbarkeit festgestellt wurde, kam die Familie bei Freunden unter. „Ich und meine Kinder haben mittlerweile Asthma von dem Schimmel“, klagt Diab. Der sei überall an den Wänden, in der Küche, im Bad. Seit ihrem Einzug hätte es immer wieder Probleme mit dem Wasser und der Heizung gegeben, diesen Winter sei die Heizung ganz ausgefallen und Wasser gab zuletzt auch nicht mehr.
Bei nicht selbstverschuldeten Mängeln, die ein Gesundheitsrisiko darstellen, ist der Eigentümer in der Verantwortung, sagt Reiner Wild vom Mieterverein. Dieser muss dem Mieter eine Alternative – Geld oder eine andere Wohnung – anbieten. Doch oft vergehen Monate, bis der Eigentümer handelt, so dass es für den Mieter einfacher ist, sich selbst um eine neue Unterkunft zu kümmern. Nach Wilds Erfahrung zögern Eigentümer die zivilrechtlichen Verfahren oft mit Einsprüchen hinaus. Beliebt sei etwa das Argument, der Mieter wäre selbst schuld am Schimmel, da er nicht richtig lüfte. In Berlin gilt das Zweckentfremdungsverbot, das Leerstand von Wohnraum, verhindern soll. Die Wohnungsaufsicht ist jedoch auf Anzeigen angewiesen. Sie verfüge auch nicht über ausreichende Mittel, um das Gesetz effektiv umzusetzen, sagt Wild.
Kein Kommentar vom Eigentümer
Mit der Bescheinigung über Unbewohnbarkeit gibt es für Riad Diab nun die Möglichkeit, einen Wohnberechtigungsschein mit besonderer Dringlichkeit zu erhalten. Außerdem will er Anzeige gegen die Eigentümerfirma erstatten.
Fälle wie in der Allerstraße seien kein Einzelfall, heißt es beim Mieterverein. Laut Reiner Wild gibt es in Berlin etwa 30 Immobilien, bei denen der Verdacht besteht, dass die Eigentümer sie vergammeln lassen. Ein denkbarer Grund ist, dass so die häufig einkommensschwachen Mieter aus den Häusern gedrängt werden sollen, um die Objekte dann zu sanieren oder gewinnbringend zu verkaufen. Es fehlt aber an belastbaren Statistiken.
Neuköllns Baustadtrat Thomas Blesing (SPD) widerspricht Wild: Fälle wie in der Allerstraße gebe es nicht oft. Das Gebäude sei in Neukölln ein Unikat. Wenn von Problemimmobilie die Rede sei, dann meist wegen Problemen mit den Mietern, wenn etwa Großfamilien in einer Dreizimmerwohnung hausen würden. Nach Blesings Ansicht liegt in der Allerstraße kein spekulativer Leerstand vor.
Der Eigentümer war telefonisch nicht erreichbar. Er versucht aber seit langem, das Haus zu verkaufen. Er bietet es online zum Verkauf an – als modernisierungsbedürftig und für 2,1 Millionen Euro. Angepriesen wird es als ein „Haus in bester Lage mit viel Potenzial“. Solange sich noch Mieter im Haus befanden, dürfte der Verkauf schwer gewesen sein. Das würde dann auch das geringe Interesse des Eigentümers erklären, den Schimmel zu beseitigen.