Keine Parkscheibe auf dem Supermarkt-Parkplatz: Muss ich jetzt 40 Euro bezahlen?
Der Berliner Rechtsanwalt Ehssan Khazaeli beantwortet jede Woche eine Frage aus dem Alltag. Heute: Kommt man aus einer Knöllchen-Forderung raus?

Ana-Louisa, 44: Ich habe neulich wieder ein Knöllchen bekommen, aber nicht von der Polizei oder dem Ordnungsamt, sondern von privaten Parkplatzpächtern. Obwohl ein riesiges Schilder vor dem Supermarkt darauf hinweist, hatte ich vergessen, meine Parkscheibe auszulegen. Ich soll jetzt 40 Euro Strafe zahlen. Komm ich da irgendwie raus?
Ein ähnliches Problem hatte zuletzt eine ehemalige Kollegin von mir. Bevor ich das beantworte, möchte ich erklären, wie sich die 40 Euro zusammensetzen: 30 Euro nennt man die „Vertragsstrafe“, weil sie nicht, wie es gefordert ist, die Parkscheibe ausgelegt haben. Sie haben den Parkplatz benutzt und sind damit einen „Vertrag“ eingegangen. Dafür ist nicht zwingend eine Unterschrift nötig, wie viele denken. Auch das Bereithalten einer Leistung kann ein Angebot zum Abschluss eines Vertrages sein und durch schlüssiges Verhalten – wir nennen das auch „konkludente Erklärung“ – angenommen werden. Ein geläufiges Beispiel ist das erhöhte Beförderungsentgelt in Höhe von 60 Euro, das im Grunde auch „nur“ eine Vertragsstrafe darstellt. Die zusätzlichen 10 Euro werden berechnet, weil der Halter des Fahrzeugs ermittelt werden musste.
Doch genau darin liegt auch das Schlupfloch: Rein juristisch gesehen muss der Halter diese Kosten nicht zwangsläufig bezahlen – und zwar dann, wenn er selbst nicht gefahren ist. Warum sollte jemand eine Vertragsstrafe zahlen, wenn er oder sie nicht gefahren ist und nicht geparkt hat.
Der Überwachungsvertrag für den Parkplatz kann nur mit dem Fahrer des Fahrzeuges entstehen – schließlich hat er durch das Befahren des Parkplatzes zum Ausdruck gebracht, dass er das Angebot annehmen und einen Vertrag schließen wollte. Es muss aber nicht zwangsläufig der Halter sein, der den Parkplatz nutzte und mit dem der Vertrag zustande kam.
Es wäre jetzt aber zu einfach, wenn der Halter erklärt, er sei an dem Tag gar nicht gefahren. Der Bundesgerichtshof hatte Ende 2019 klargestellt, dass der Halter schlüssig erklären muss, wer denn stattdessen gefahren sein könnte. Eine Vermutung spräche dafür, dass der Halter der Fahrer gewesen sei. Wir Juristen nennen das den „Beweis des ersten Anscheins“, der dann die wieder „sekundäre Darlegungslast“ aufleben lässt. Der Halter muss also im Fall einer gerichtlichen Auseinandersetzung schlüssig und nachvollziehbar darlegen, welche Personen stattdessen gefahren sein könnten und auch bei diesen Personen Erkundigungen einholen und diese Ergebnisse schriftlich darstellen. Er muss aber nicht zwingend den Fahrer bezeichnen, sondern nur darstellen, dass er sich wirklich darum bemüht hat, ihn herauszufinden.
Das stellt aber einen großen Aufwand dar, weswegen man sich überlegen sollte, ob es nicht einfacher ist, die Vertragsstrafe zu bezahlen. Ein Gedanke, auf den offenbar auch die Parkplatzpächter setzen. Schließlich lohnt es sich für den Einzelnen bei einer derart geringen Summe nicht, extra einen Rechtsanwalt zu kontaktieren oder selbst lange Briefe zu schreiben.