Kinder und das Diktat der Modeindustrie
Vielfalt sieht anders aus: Die Kleidungswelt der Mädchen ist bekanntermaßen vor allem rosafarben. Aber auch für Jungs gibt es ganz klare Vorgaben in den Läden.

Berlin-Die Kindheit endet heutzutage mit acht oder neun Jahren. Jedenfalls für Jungs. Das ist auch in Berlin in fast jedem gängigen Klamottenladen für Kinder zu beobachten. In diesem Alter sind Jungs etwa 1,30 Meter groß, Mädchen nur eine Winzigkeit kleiner. Sie sind etwa in der vierten Klasse und eindeutig Kinder.
Aber nicht für die Modeindustrie. Bei Jungs ist 1,30 Meter eine Art Wegscheide. Die Kleidung unter 1,30 ist noch ganz klar für Kinder, die danach für Jugendliche. Das Diktat der Modeindustrie ist eindeutig. In einem Familienladen in Friedrichshain gibt es unter 1,30 viele bunte Farben: rot, gelb, grün, viele Motive mit Bären oder Tigern und natürlich Dinosauriern. Auf einem Shirt faucht ein T-Rex, daneben die Worte: „Einzig – nicht artig“. Ab 1,30 Meter sind die Farben eher dunkel. Witzige Sprüche gibt es nicht mehr, dafür drehen sich die Motive und Sprüche nun nur noch ums Skateboardfahren und Surfen.
In Berlin surft so gut wie kein Neunjähriger, und nur recht wenige skaten bereits leidenschaftlich. Dafür spielen viele Fußball, aber das scheint die Industrie nicht zu interessieren.
Bei Mädchen ist die Klamottenwelt nicht so zweigeteilt. Aber das macht es nicht besser. Mädchen dürfen länger Kind bleiben – oder werden länger infantilisiert. Je nach Sichtweise. Auch sie unterliegen einem strengen Modediktat, das allseits bekannt ist. In allen Größen regiert die Farbe Rosa. Bestimmt die Hälfte aller Mädchenkleidung in dem Laden ist rosafarben. Der Rest ist weiß, jeansblau und hellgrün. Als Motive dominieren Pferde, Früchte, Blumen, Schmetterlinge und Einhörner.
Die Welt der Mädchen besteht aus hellen Aquarellfarben und hat irgendwie mit Natur zu tun. Die Botschaft für die Jungs steht auf einem Shirt: „Urban – enjoy your City“. Sie sollen die Stadt erobern und genießen, sie sollen cool sein und immer und überall skaten.
Die Industrie setzt nicht etwa auf die gern beschworene Vielfalt, sondern auf Gleichmacherei. Da hängen Shirts mit winzigen Mustern – lauter kleine Skateboards. Und dort: blaue Socken mit dem Wort Skate. Auf einer fadgrauen Unterhose die Worte: „Skate, cool, urban“. Und für Mädchen gibt es das ganze Jahr Prinzessinnenkleider.
Das ist die Realität. Auch zum Kinderfasching gehen Jungs meist als starke Männer – als Piraten, „Star Wars“-Krieger oder Zirkusdirektoren. Die Mädchen in den meisten Fällen als Prinzessinnen: Sie schwärmen für den Film „Die Eiskönigin“. Und selbst dieser Sache können einige etwas abgewinnen: Denn in dieser bonbonfarbenen Disney-Welt wartet die Prinzessin nicht auf den Traumprinzen, sondern ist eine starke Frau.