Kleingärten, Gewerbeflächen: Spekulanten hoffen auf das große Geschäft mit Bauland in Berlin
Bauland ist lukrativ und knapp. Das ruft Spekulanten auf den Plan. Sie kaufen immer öfter Kleingärten, aber auch Gewerbe- und Industrieflächen, die eigentlich nicht mit Wohnungen bebaut werden dürfen und hoffen auf das große Geschäft. Die Einwohnerzahl steigt, die Wohnungen werden knapp, Mieten und Immobilienpreise klettern auf Rekordwerte. Der Senat muss den Wohnungsneubau nach Kräften fördern. Also spekulieren die Käufer darauf, dass der Senat diese Flächen bald für den Wohnungsbau freigibt. Und dann machen sie das große Geschäft.
Rainer Hölmer (SPD) ist Baustadtrat von Treptow-Köpenick. Zuletzt hatte er bei der privaten Kleingartenanlage Einigkeit II den Verdacht geäußert, dass sie als Spekulationsobjekt gekauft worden sei. Das 6000 Quadratmeter große Grundstück gehört zu den 77 Immobilien eines arabischen Clans, die jüngst von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmt wurden.
Unattraktive Grundstücke
„Der Flächennutzungsplan schreibt das Gelände eigentlich als Grünfläche mit kleingärtnerischer Nutzung fest“, sagt Stadtrat Hölmer. Doch aufgrund des dringend nötigen Wohnungsbaus sei es durchaus denkbar, dass Senat und Abgeordnetenhaus den Flächennutzungsplan ändern müssen. „Tritt das ein, hat es sich gelohnt, eine scheinbar nicht verwertbare Fläche zu kaufen“, sagt Hölmer.
Viele Unternehmen spekulieren auf die künftige Stadtentwicklung. „Uns liegen keine verbindlichen Zahlen zur Spekulation vor, aber wir beobachten, dass sie stattfindet“, sagt eine Sprecherin der Senatsbauverwaltung. Die angespannte Marktlage bringe viele Wohnungsinvestoren dazu, Grundstücke in den Blick zu nehmen, die früher unattraktiv gewesen wären. „Darunter sind auch Flächen, die eigentlich für Produktion und Industrie vorgesehen sind“, sagt sie. Den Spekulationen der Käufer liege eine durchaus realistische Einschätzung des Berliner Trends zugrunde. Der Bedarf an Wohnungen bleibe hoch.
Verfall am Güterbahnhof
Ein Fall, bei dem es im Kern um eine Spekulation auf die Änderung des Flächennutzungsplans ging, war der Kauf des alten Güterbahnhofs Greifswalder Straße. Der Investor Christian Gérôme erwarb das 28.000 Quadratmeter große Grundstück in Prenzlauer Berg und stellte im Jahr 2012/2013 seinen Plan vor, dort 600 Wohnungen zu errichten. Seine Zukunftsprognose ging bisher nicht auf. Bausenatorin Katrin Lompscher (Linke) verweigert sich dem Wunsch des Investors, sich für eine Änderung des Planungsrechts stark zu machen.
Im benachbarten Ernst-Thälmann-Park wohnen viele Linken-Wähler, die eine weitere Wohnbebauung ablehnen und dagegen protestierten. Es heißt, dass Lompscher ihre eigene Klientel nicht verprellen wolle. Investor Gérôme wirft der Politik seither vor, unproduktiv zu sein. Der alte Güterbahnhof verfällt derweil.
Bemühen um Auskünfte birgt Risiken
Für einen Bauinvestor ist es äußerst schwierig, selbst Einfluss auf die Änderung des Flächennutzungsplans zu nehmen. Dafür reicht es nicht aus, einen einzelnen Entscheidungsträger auf seine Seite zu ziehen. Der Verfahrensablauf sieht im Regelfall einen Einleitungsbeschluss der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung vor, dem zwei Phasen der Öffentlichkeitsbeteiligung folgen. Im nächsten Schritt beschließt der Senat die Änderung und muss dann die Zustimmung des Berliner Abgeordnetenhauses einholen. Ist auch sie erfolgt, wird die Änderung mit ihrer Bekanntgabe im Amtsblatt wirksam.
Für einen Spekulanten ist es von besonderem Interesse, beabsichtigte Änderungen des Flächennutzungsplans bereits im Vorfeld zu kennen. Über die Vorhaben des Landes Berlin Bescheid zu wissen, würde es ihm zum Beispiel ermöglichen, billiges Ackerland zu kaufen und darauf später Wohnungen zu bauen. Das Bemühen um Auskünfte birgt jedoch Risiken. „Nur solange Grundstückseigentümer ihre Informationen aus öffentlich zugänglichen Quellen haben, können sie diese legal für Baulandgeschäfte nutzen“, sagt Wolfram Chowanietz, Bauexperte der Kanzlei GTW Anwälte. Strafbar wird es, wenn Geld oder Gefälligkeiten im Spiel sind, um Insiderwissen zu erlangen.
Boom im Speckgürtel
Die Nachfrage nach Grundstücken, die künftig zu Bauland umgewidmet werden könnten, ist am Berliner Stadtrand und im Speckgürtel besonders hoch. Ein vergleichbarer Trend zeigt sich nach Angaben der Berliner Bauverwaltung auch in anderen Großstädten, zum Beispiel in München. Die Grundstückskäufer erwarten, dass sich die Metropolen weiter ins Umland ausdehnen. Diese bereits laufende Entwicklung lässt sich an den steigenden Preisen von Flächen ablesen, die im Berliner Umland derzeit schon zur individuellen Bebauung angeboten werden.
Der im Juli vorgestellte Grundstücksmarktbericht 2017 der Brandenburger Landesregierung spricht von einem „Boom“, der vor allem Gemeinden erfasse, die von Berlin aus gut mit dem öffentlichen Nahverkehr zu erreichen seien. Am teuersten sind demnach Grundstücke in Kleinmachnow mit durchschnittlich 527 Euro pro Quadratmeter.
Vom Trend profitieren
Nach oben gehen in Brandenburg aber auch die Preise für Ackerflächen, die künftig zu Bauland umgewidmet werden könnten. Sie stiegen von 2016 auf 2017 um 17 Prozent.
In der Berliner Bauverwaltung wird damit gerechnet, dass der Ansturm auf Bauland und freie Wohnungen ungebrochen anhält. Auch 2018 werden voraussichtlich wieder 40.000 Menschen nach Berlin und ins unmittelbare Umland ziehen.
Von diesem Trend würden Bauinvestoren aus dem In- und Ausland natürlich gern profitieren.