Kneipen in Friedrichshain-Kreuzberg: Bezirk will härter gegen Partylärm vorgehen
Das Experiment ist beendet. Keine Pantomimen mehr im Kneipenkiez und keine Nachsicht mehr mit Wirten, die das nächtliche Ruhebedürfnis von Anwohnern ignorieren. So lässt sich die Aussage von Peter Beckers, dem Stadtrat für Wirtschaft und Ordnung in Friedrichshain-Kreuzberg, zusammenfassen.
Insgesamt 15 Mal hatte der Bezirk im Sommer Pantomimen zu Touristen-Hotspots geschickt, um dort bei den Gästen um mehr Ruhe zu werben. Mit mäßigem Erfolg, wie der SPD-Politiker jetzt einräumt. „Im Wrangelkiez, wo viele Anwohner auch Kneipengäste sind, gab es Verständnis für das Ruhebedürfnis. In der Simon-Dach-Straße aber, wo eher auswärtige Touristen in den Biergärten sitzen, war die Aktion wenig erfolgreich.“ Die meist jungen Gäste dort gingen davon aus, dass Lärm in einem Kneipenkiez normal sei, so Beckers.
Bezirk will härter durchgreifen
Friedrichshain-Kreuzberg verzeichnete im vergangenen Jahr mit 8,4 Prozent berlinweit den höchsten Anstieg der Gästezahlen. Die Auswüchse des Massentourismus sind vom Ostkreuz in Friedrichshain über die Warschauer Brücke bis zum Kottbusser Tor in Kreuzberg spürbar – laut Beckers ist das Gebiet „eine einzige Partygegend“. 100.000 Anwohner seien von Lärm und Schmutz belastet. Vor allem im Viertel um die Simon-Dach-Straße, wo es etwa 3000 Biergartenplätze gibt, häuften sich die Beschwerden.
Deshalb will der Bezirk nun härter durchgreifen. Das Umweltamt, sagt Beckers, habe den Auftrag erhalten, Prognoseberechnungen zur Lautstärke zu erstellen. Ermittelt wird so der Durchschnittswert, den man erhält, wenn die Zahl der Tische und Stühle ins Verhältnis zum möglichen Lärmpegel gesetzt werden. Laut Gesetz darf ab 22 Uhr ein Lärmpegel von 45 Dezibel bei den Anwohnern ankommen. Das entspricht in etwa einem normalen Gespräch oder leiser Radiomusik.
Sperrzeit flächendeckend ausweiten
Allerdings gab es eine solche Berechnung in der Simon-Dach-Straße schon einmal. Vor zwölf Jahren lautete das Ergebnis: Will man sich ans Gesetz halten, darf jeder Wirt nur sechs Biergartenplätze haben. Die Wirte sahen sich in ihrer Gewerbeausübung beschnitten. Die Anwohner drohten mit Klage, falls sich nichts ändere. Man einigte sich auf einen Kompromiss: An einigen Stellen im Kiez darf seither wochentags nur bis 23 Uhr und am Wochenende bis 24 Uhr draußen bedient werden.
Stadtrat Beckers ist sicher, dass diese Sperrzeit künftig im Simon-Dach-Kiez flächendeckend gelten wird: „Anders bekommen wir keine Ruhe rein.“ In der Realität wird die jetzige Sperrzeit aber meist überschritten – weil ihre Einhaltung nicht kontrolliert wird. Ordnungsamts-Mitarbeiter haben üblicherweise um 22 Uhr Feierabend, und die Polizei ist oft überlastet.
Längere Arbeitszeit fürs Ordnungsamt
Stadtrat Beckers kündigt auch hier Besserung an: Er wolle erreichen, dass die Ordnungsamts-Mitarbeiter im nächsten Jahr zwischen Mai und September bis 24 Uhr arbeiten dürfen. Genau das war vor zwölf Jahren auch schon mal angekündigt worden. Verwirklicht wurde es nicht. Der Bezirk verordnet sich außerdem das Siegel „fairkiez“ und will einen „stadtverträglichen Tourismus“ entwickeln.
Wie genau das funktionieren kann, ist noch unklar. Zum Programm gehören jedenfalls tägliche Reinigungstouren der BSR sowie das Aufstellen kostenloser WCs. Wichtig ist für Beckers, dass der Bezirk das Problem nicht allein angehen muss, sondern die Gastronomen-Organisation Dehoga, die Tourismus-Werber von Visit Berlin und die Clubcommission, die die Clubs vertreten, mit im Boot sind.