CDU und SPD nehmen Milliarden-Schulden auf: „Berlin braucht das große Klotzen“

Fünf Milliarden Euro sollen in ein Sondervermögen fließen, das Gebäudesanierung und Mobilitätswende voranbringen soll.

Kai Wegner, Vorsitzender der Berliner CDU und künftiger Regierungschef in Berlin, behält die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) bei ihrem Statement fest im Blick.
Kai Wegner, Vorsitzender der Berliner CDU und künftiger Regierungschef in Berlin, behält die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) bei ihrem Statement fest im Blick.Carsten Koall/dpa

Keine Dachgruppensitzung ohne Beschluss: Auch nach dem zweiten Treffen der Spitzengruppe der Berliner Koalitionsverhandlungen wurde wieder ein Papier vorgelegt. Vergangene Woche war es ein mehrseitiges Sondierungspapier, am Mittwoch präsentierten die Unterhändler den ersten weitreichenden Beschluss: CDU und SPD in Berlin wollen „mindestens“ fünf Milliarden Euro in die Hand nehmen, um den Klimaschutz in der Stadt voranzutreiben.

Dazu soll ein sogenanntes Sondervermögen „Klimaschutz, Resilienz, Transformation“ eingerichtet werden. De facto ist das nichts anderes als die Neuaufnahme von Schulden am Kapitalmarkt, um in einer Krise flüssig zu sein.

Die Bundesregierung hat das zum Beispiel mit dem Sondervermögen für die Bundeswehr so gemacht. 100 Milliarden Euro sollen angesichts des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine die deutschen Streitkräfte krisensicher machen.

In Berlin ist der russische Überfall und die daraus resultierende Energiekrise – neben den Auswirkungen des Klimawandels – nun der Grund dafür „sehr viel Geld in die Hand zu nehmen“, wie der CDU-Vorsitzende Kai Wegner, die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey, der SPD-Co-Vorsitzende Raed Saleh und CDU-Generalsekretär Stefan Evers nacheinander und wortgleich formulierten.

Die fünf Milliarden Euro sollen vornehmlich für Gebäudesanierungen, Investitionen in die Mobilitätswende und für die Sicherung der Energieversorgung aufgewendet werden. Ende 2024 soll es eine Evaluation der Ausgaben geben – dann könnten weitere fünf Milliarden Euro nachgeschoben werden. Außerdem soll die sogenannte Berliner Resilienzrücklage von 750 Millionen auf 1,5 Milliarden Euro aufgestockt werden. Mit ihr werden unvorhergesehene Ereignisse wie etwa der Zuzug von Flüchtlingen aus der Ukraine oder der Energiefonds zu Abfederung der hohen Gas- und Strompreise finanziert. Die nicht verwendeten Corona-Hilfen sollen dagegen zur Tilgung von Schulden verwendet werden.

Dass das Sondervermögen auch eine Reaktion auf den Klimavolksentscheid am 26. März sein könnte, wies Wegner strikt von sich: „Wir lassen uns von niemandem unter Druck setzen, wir tun das aus Überzeugung.“ Man habe das Sondervermögen schon beim ersten Treffen beschlossen und nun die Summe dafür ausgehandelt.

Außerdem feilte die Dachgruppe an der Präambel des Koalitionsvertrages, der zurzeit von 13 Arbeitsgruppen ausgehandelt wird. Sie soll erst mit dem Koalitionsvertrag vorgestellt werden, doch die Überschrift steht offenbar bereits fest: „Das Beste für Berlin“ – als ob eine Koalition jemals mit geringerem Anspruch angetreten wäre. Das Beste für Berlin ist nach dem Willen der künftigen schwarz-roten Koalition auch wieder mehr Fokus auf Fortschrittstechnologien zu setzen, die in dieser Stadt entstehen sowie Forschung und Wissenschaft zu betonen.

Letztere gehörten bis jetzt zum Ressort der grünen Gesundheitssenatorin Ulrike Grote und wurden von ihr schon allein wegen der Corona-Pandemie eher weniger mit Aufmerksamkeit bedacht. Denkbar wäre daher, dass Wissenschaft wieder einen eigenen Senator bekommt. Allerdings haben die künftigen Koalitionäre bereits durchblicken lassen, dass der Neuzuschnitt von Ressorts angesichts der nur noch kurzen Legislaturperiode eigentlich nicht infrage komme.

Beide Parteien betonten auch am Mittwoch nach der Sitzung wieder den konstruktiven Geist, der bei den Gesprächen herrsche. Entspannter zeigte sich diesmal auch der SPD-Co-Chef und Fraktionsvorsitzende Raed Saleh – weil diesmal konkreter gesprochen wurde, wie er sagte: „Konkret war es echt gut.“ Er kündigte bereits an, dass es bei den fünf Milliarden Euro für das Sondervermögen nicht bleiben werde: „Berlin braucht hier das große Klotzen.“

Auch Generalsekretär Stefan Evers betonte die „historische Kraftanstrengung“, die die neue Koalition für Berlin unternehmen werde. Man habe geprüft, ob man die Klimaschutzmaßnahmen auch aus dem laufenden Haushalt finanzieren könne, aber das gebe der Etat einfach nicht her. „Wir wollten keine Einschnitte im Sozialen oder in der Daseinsvorsorge machen“, so Evers.

Sondervermögen Klimaschutz – das war unsere Idee, sagt die Linke

Grünen-Fraktionschef Werner Graf, dessen Partei sich nach gut sechs Jahren Koalition mit SPD und Linken nun auf die Opposition einstellt, reagierte mit Skepsis auf die Ankündigungen von CDU und SPD. „Fünf bis zehn Milliarden Euro in den Klimaschutz zu investieren, ist richtig und wichtig“, erklärte er. Welche konkreten Maßnahmen damit finanziert werden sollen, sei aber bisher noch komplett unklar. Geld sei hier auch nicht alles. „Woher die Fachkräfte, die Unternehmen und die nötigen Materialien kommen sollen, bleibt vollkommen offen.“

Die Linke reklamierte die Idee für ein Klima-Sondervermögen für sich. „Das war unser Vorschlag in den Sondierungsgesprächen“, twitterte sie mit dem Hashtag #linkswirkt.