Koalitionsgespräche: Die CDU beginnt zu vergessen, wofür sie gewählt wurde

Im Wahlkampf ging es noch um die funktionierende Stadt. Doch das Thema rutscht allmählich nach hinten, weil ehrgeizigere Ziele formuliert werden.

Der künftige Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) und Noch-Amtsinhaberin Franziska Giffey (SPD)
Der künftige Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) und Noch-Amtsinhaberin Franziska Giffey (SPD)Carsten Koall/dpa

Am Mittwoch lächelte sogar Raed Saleh ein bisschen. Die Fotos mit der griesgrämigen Mine des Berliner Co-Vorsitzenden der SPD waren nach den ersten Sondierungsgesprächen mit der CDU vielfach im Netz geteilt worden. Doch jetzt, so sagte er gestern, werden die Gespräche konkret, und da sehe man, wie viele Übereinstimmungen es gebe.

Das hört man natürlich immer, wenn Parteien für ein gemeinsames Regierungsbündnis verhandeln: Die Gespräche sind super, es ist alles so harmonisch, man kommt gut voran. Bei SPD und CDU aber hat es fast den Anschein, als regierten die beiden Parteien schon gemeinsam.

Als Franziska Giffey am Dienstag das Millionenprogramm für die Prävention von Jugendgewalt vorstellte, da hatte sie überhaupt kein Problem damit, klarzustellen, dass das mit der CDU besprochen und okay so sei.

Kai Wegner wiederum scheint jetzt doch der Ehrgeiz gepackt zu haben. Er hält sich zwar immer noch an die Absprache, bei jeder Gelegenheit die Stadt der Vielfalt zu betonen, um die unselige Sache mit den Vornamen von Straftätern vergessen zu machen. Aber er hat jetzt offenbar auch eine Mission. Berlin soll die Klimametropole der Zukunft werden. Hier sollen die Innovationen entwickelt werden und sich die Firmen ansiedeln, die Geschichte schreiben.

Die Idee hatten auch schon andere Bürgermeister vor ihm. Doch das geplante Sondervermögen mit fünf Milliarden Euro zeigt, dass Wegner es ernst meint. Die Pläne bergen allerdings auch eine Gefahr: Die schwarz-rote Koalition beginnt zu vergessen, wofür sie gewählt wurde. Die funktionierende Stadt, das war es, wofür in Spandau und Neukölln die Menschen von der SPD zur CDU wechselten. Das Thema wird von den Verhandlern immer noch erwähnt, aber es wandert von Pressekonferenz zu Pressekonferenz immer weiter nach hinten. Das ist ein Risiko – erst recht, wenn noch mal fünf Milliarden in ein dysfunktionales System gepumpt werden.