Kohlegruben: Streit um die Rettung der Lausitz
Mit sieben Minuten Verspätung begann am Donnerstag in Potsdam die 28. Landtagssitzung. Denn vor der großen Debatte über den Verkauf von Vattenfalls Braunkohlesparte in der Lausitz musste erst noch der neue Justizminister Stefan Ludwig (Linke) vereidigt werden: Der 49-Jährige schwor, dass er seine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde – und wurde zuallererst von Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) umarmt. Die „Dienstwagenaffäre“, über die Ludwigs Vorgänger Helmuth Markov fiel, ist damit freilich noch nicht beendet: Die CDU setzte durch, dass an diesem Freitag eine Sondersitzung des Finanzausschusses stattfindet.
Strukturbruch verhindert
Doch am Donnerstag ging es erst einmal um die parlamentarische Bewertung des jüngsten Vattenfall-Deals: Der schwedische Energiekonzern will seine vier Kohlegruben und drei Kraftwerke nun an die EPH-Gruppe verkaufen, die zwei tschechischen Milliardären gehört. Wobei ein Verkauf normalerweise anders aussieht, denn Vattenfall gibt den Tschechen noch 1,7 Milliarden Euro dazu. Denn mit Kohlestrom ist immer weniger Geld zu verdienen, Vattenfall will die Sparte los sein.
Die Bewertung des Geschäfts fiel durchaus unterschiedlich aus. Die Grünen lehnen die Übergabe an die Tschechen rundweg ab und halten die Käufer für dubios. Die rot-roten Regierungsfraktionen und die CDU freuten sich, dass das fast zweijährige Bangen der 8000 Vattenfaller um ihre Jobs nun vorbei und die Region vorerst vor dem wirtschaftlichen Ruin gerettet ist. Denn immerhin soll eine Jobgarantie bis 2020 Teil des Vertrages sein. Den Käufern wird zugute gehalten, dass sie mit dem Kauf der Mitteldeutschen Braunkohlegesellschaft bereits Erfahrungen in Deutschland haben. Grundsätzlich waren sich Rot-Rot und Schwarz einig, dass Kohlestrom noch so lange benötigt werde, bis zuverlässige und preiswerte Speichertechnologien für erneuerbare Energien entwickelt sind. Unklar ist nur, wie lange das ist.
Oben auf den Zuschauerrängen saßen fünf Vattenfall-Betriebsräte und nickten, als SPD-Fraktionschef Mike Bischoff sprach. Die Lausitz sei durch den angedrohten Vattenfall-Rückzug von einem „gewaltigen Strukturbruch“ bedroht gewesen, sagte er. „Zehntausende Jobs wären auf einen Schlag weggefallen.“ Was im Ruhrgebiet ein jahrzehntelanger Prozess mit vielen Problemen gewesen sei, drohte in der Lausitz ein Schockereignis zu werden. „Dieses Schreckensszenario konnte abgewendet werden.“ Weil die Grünen weiterhin den Kohleausstieg fordern und damit Tausende Jobs gefährdeten, warf Bischoff ihnen einen Mangel an Empathie aus ideologischen Gründen vor.
Grünen-Fraktionschef Axel Vogel rief den Ministerpräsidenten auf, für eine soziale Lösung zu sorgen und nach Schweden zu fahren, um die dortige Regierung doch noch vom Verkauf der Braunkohlesparte abzubringen. Vogel würdigte Vattenfall als sozial und ökologisch verantwortungsbewusstes Unternehmen und sieht die Neuen mit großer Skepsis. Noch vor Kurzem, sagte Vogel, hätte die SPD ein Unternehmen wie die EPH-Gruppe als Heuschrecken bezeichnet, auch wegen ihrer undurchsichtigen Firmenstruktur – bei der laut Vogel Anwälte aus Panama hätten Pate gestanden haben können: „Die Lausitz droht, zu einem Spielball für Finanzjongleure zu werden, und die Landesregierung steht applaudierend daneben.“ Die Grünen, sagte Vogel, forderten auch keinen sofortigen Ausstieg aus der Kohle, sondern seien für eine Übernahme der Kohlesparte durch Greenpeace, die die Gruben in eine Stiftung überführen und mittelfristig abwickeln wollte.
Gegen Greenpeace-Stiftung
Wirtschaftsminister Albrecht Gerber (SPD) sagte, er sei froh, dass der mit Abstand größte Industriearbeitgeber nicht an Greenpeace gehe. Denn dies sei ein Verein, der aus 38 stimmberechtigten Mitgliedern bestehe und ständig Deindustrialisierungskampagnen fahre.
Die CDU forderte vom Ministerpräsidenten nun einen Lausitzplan. Woidke entgegnete, dass die Landesregierung der Lausitz nichts von oben verordnen, sondern Konzepte mit den Leuten vor Ort entwickeln wolle. Von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) forderte Woidke ein klares Bekenntnis zur Braunkohle und sagte: „Wer den Atomausstieg will, muss Ja sagen zur Braunkohle, denn wir werden sie in den nächsten Jahrzehnten brauchen.“