Kolonie "Märchenland" in Berlin: Berliner Kleingärtner trotzen der Hitze
Im Minutentakt schaukeln schon am Vormittag die Autos über die sieben Berge, die zur Beruhigung des Verkehrs auf dem Weg zur Kleingartenkolonie „Märchenland“ auf der Fahrbahn aufgetürmt sind. Hier in der größten einheitlich verwalteten Kleingartenanlage Deutschlands wollen die Laubenpieper der großen Hitze, die die Hauptstadt am Sonntag heimsuchen soll, trotzen.
Bis zu 39 Grad im Schatten droht der Deutsche Wetterdienst am Sonntag an. Doch hier, hinter den sieben Bergen, fürchtet man die Riesen-Hitze nicht. Für die bevorstehende Sonnenschlacht haben sich die Parzellen-Parzivale längst bewaffnet – mit Schlauch, Schirm und Schorle. Die gebräunten Gartenkrieger wissen: Wer sich am Sonntag zuerst bewegt, der hat schon verloren.
Und so hat Marco (36) aus Turin schon am Samstag vorgearbeitet und eine Schale süßer Johannisbeeren gepflückt. Die sind für Frau und Kind, welche sich unter dem Schlauch erfrischen wollen, wenn die Temperaturen an der 40-Grad-Marke kratzen.
Abkühlung im Swimmingpool
Nachbarin Nicole aus dem Drosselbartweg steigt gleich im vollen Gewand ins kühle Nass ihres Swimmingpools. „Die Kleider sind im Nu wieder trocken und man ist länger erfrischt“, erklärt sie über den Gartenzaun hinweg. Von wegen Prinzessin auf der Erbse. In einer weiteren der 1028 verpachteten Parzellen des Märchenlandes, welches zwischen Heinersdorf, Blankenburg und Malchow im Nordosten von Berlin liegt, wird gerade heftig gepumpt. Ronny Barsch macht gleich drei auf einen Streich – die drei Ringe des Bassins für seinen Lütten hat er ruckzuck prall und Junior kann unter die Kanne kommen. „Lass laufen“, heißt es dann. Und das gilt auch für die Reporter, die sich über den glutheißen Reinecke-Fuchs-Weg in Richtung „Märchenklause“ aufmachen.
Vorher noch kurz bei Wolfram Machold und Marita Schulz hereingeschaut, ihr Tipp gegen Hitzekoller: Nicht bewegen und ab unter den Sonnenschirm. Mit Minze aus dem Beet schmecken die Getränke erfrischend und im Schwimmbecken sitzend, wachsen ihnen die Beeren in den Mund.
Christel Perschke (82), die hier im Märchenland schon als Kind spielte und seit 78 Jahren ihre Sommer im Kleingarten verbringt, schwört an warmen Tagen auf Gurkensalat. Wer mag, probiert ein weiteres Laubenpieper-Leibgericht: Radieschensalat. „Schön raspeln, Salz, Pfeffer, Petersilie und ein bisschen Distelöl“, sagt Frau Perschke. Ist notiert. Märchenland ist eben auch Schlaraffenland.
Besonders im Reich von Beatrix Patzelt. Die 45-Jährige betreibt mit ihrem Mann die bereits erwähnte „Märchenklause“. Und obwohl sie den Rat der Ärzte, bei Hitze lieber Lauwarmes zu trinken, gern an die Gäste weitergibt, bestellen die meisten doch lieber Bier und Schorle. Prost Märchen!