Ein Loblied auf die Pausen – gerade in Berlin, der Stadt der Hektik

Großstädter sind immer in Eile. Ihnen fehlt die Gelassenheit. Doch unser Kolumnist findet: Nur wer Pausen macht, kann erfolgreich sein.

Pausen sind schon wichtig: mittags auf der Admiralsbrücke.
Pausen sind schon wichtig: mittags auf der Admiralsbrücke.Emmanuele Contini

Es ging ganz schnell, es schepperte und die Scherben flogen überallhin. Die gelbe Obstschüssel zersprang auf dem Küchenboden mit einem lauten Knall. Mein Fluchen danach war fast genauso laut.

Es war wieder mal typisch. Ich war in Eile gewesen, hatte zur Arbeit gewollt, aber noch schnell aufgeräumt. So schnell, dass ich kurz gedacht hatte: „Bloß keine Hektik, sonst fällt was runter.“ Und zack, zerschellte die schöne Schüssel auf dem Boden.

Wäre sie nicht gefallen, hätte ich durch meine übereilte Eile vielleicht 20 Sekunden Zeit rausgeholt. So aber dauerte es mindestens zwei Minuten, bis ich alle Scherben gefunden und aufgelesen hatte.

Der große Berliner Alltagsphilosoph und Geschichtenerzähler Horst Evers gab einem seiner Bücher den schlauen Titel „Für Eile fehlt mir die Zeit“. Wie recht der Mann doch hat, aber wie schwer doch diese kleine Weisheit in die Realität umzusetzen ist. Ein passender Spruch steht auch am S-Bahnhof Schönhauser, er lautet in etwa: Liebe Sekundenschinder, was macht ihr eigentlich mit der Zeit, die ihr gewonnen habt, wenn ihr statt „Liebe Grüße“ nur „LG“ ins Handy tippt?

Die Sache mit der Zeit ist eigentümlich: Wenn wir 15 Minuten im Keller der Stadt Berlin auf die U-Bahn warten, schleicht die Zeit nur tröpfchenweise dahin, ist es im Kino aber spannend, ist auch ein Film mit Überlänge wie im Flug vorbei.

Wer viele Pausen macht, ist schneller und erfolgreicher

Zeit ist eine sehr dehnbare Angelegenheit. Und ganz wichtig sind Pausen. Das vergessen wir meist. In der Schule ist nach 45 Minuten erst mal eine Pause, im Arbeitsalltag aber wird durchgerackert, bis viele hinterher völlig geschafft nach Hause schleichen. Also: Mehr Gelassenheit und Pausen, bitte.

Wer Schulkinder hat, muss sich irgendwann mal wieder mit den klassischen Methoden des Lernens auseinandersetzen. Da gibt es zum Beispiel einen freundlichen Berliner Ex-Lehrer namens Jürgen, der im Internet viele schlaue Dinge erzählt, zum Beispiel, wie wichtig Pausen sind. Fast so wichtig wie das Lernen selbst. Denn wer nur immer büffele, vergesse vieles schnell wieder. Wer aber viele kleine Pausen macht, gibt dem Gehirn die Chance, sich mehr zu merken.

Jürgen erzählt von einem Versuch mit Kindern: Sie sollten 30 Minuten lang Matheaufgaben lösen. Ohne Pausen schafften sie 37 Stück und machten sieben Fehler. Mit einer Fünf-Minuten-Pause lagen sie bei 40 Aufgaben und fünf Fehlern. Als sie fünf kurze Pausen von je einer Minute einlegten, schafften sie sogar 42 Aufgaben und machten nur vier Fehler.

Danke, Jürgen, für dieses Wissen. Ach du liebe Zeit: Jetzt habe ich schon wieder eine Stunde durchgearbeitet – Zeit für eine Pause.