Kommentar: Das Radgesetz darf kein Wunschzettel bleiben

Es ist geschafft. Nicht einmal ein halbes Jahr, nachdem Vertreter der Fahrradlobby, des Senats und der rot-rot-grünen Koalition die Gespräche begonnen haben, liegt jetzt ein Entwurf für das erste deutsche Radgesetz vor. Außer dem rekordverdächtigen Tempo ist das Gesetzgebungsverfahren ungewöhnlich: Die Verwaltung arbeitete mit der Zivilgesellschaft zusammen.

In anderer Hinsicht ist Berlin ebenfalls Vorreiter: Erstmals in Deutschland entsteht ein integriertes Mobilitätsgesetz, das sich mehreren Verkehrsmitteln widmet. Die darin verankerten Konfliktlösungsmechanismen erlauben es dem Senat, zugunsten umweltfreundlicher Verkehrsarten zu entscheiden. Auch diese Parteilichkeit ist etwas Neues.

Dass nun die ersten 50 Paragrafen fertig sind, ist ein Erfolg für die vielen Aktivisten und das Team Volksentscheid Fahrrad, die seit 2015 ein Radgesetz fordern. Doch die schwierigste Arbeit kommt noch. Es sind nicht nur Radverkehrsnetze zu bestimmen, Radstreifenbreiten und andere Planungsdetails festzulegen. Senat und Bezirke müssen nun Sorge dafür tragen, dass die vielen schönen Ziele auch verwirklicht werden.

Wünsch-dir-was-Katalog

Ohne mehr Personal in den Planungsabteilungen ist das geplante Gesetz nicht viel mehr als ein weiterer Wünsch-dir-was-Katalog, der zu Politikverdrossenheit beiträgt. Die Verbesserungen, von denen darin die Rede ist, sind nicht neu. Sie werden Berlins Radfahrern seit vielen Jahren versprochen – in Plänen, Koalitionsvereinbarungen, Politikerreden. Die Realisierung geht aber nur im Schleichtempo voran. Das muss sich ändern. Es wäre fatal, wenn die Erwartungen der Radfahrer erneut enttäuscht würden.

Ohne Politiker, die sich beherzt für den Radverkehr einsetzen, wird das Gesetz ebenfalls Makulatur bleiben. Wenn schon der Wegfall von acht Parkplätzen dazu führt, dass sich der Regierende Bürgermeister beschwert, stehen die Konflikte, die zu bewältigen sind, unter einem schlechten Stern.