Kommentar: Forciert den Wohnungsbau. Aber nicht nur irgendeinen!

Es ist immer gut, wenn sich Gesetze an der Lebenswirklichkeit orientieren. Zur Lebenswirklichkeit in Berlin wie in anderen Großstädten gehört, dass Mieter oder Hausbesitzer ihre eigenen vier Wände gerne zeitweise vermieten.

Home Sharing wird diese Form des Teilens genannt, die sich als Zweig neuen ökonomischen Handelns längst etabliert hat. Es ist nur folgerichtig, dass der Senat das Berliner Ferienwohnungsverbot im Lichte dieser Entwicklung verändern will.

Während bisher die Vermietung der eigenen Wohnung ohne Genehmigung des Bezirks nicht gestattet war, soll dies künftig zumindest für 60 Tage im Jahr erlaubt sein. Das scheint ein angemessenes Angebot zu sein.

Denn nach Angaben eines der größten Internet-Vermittler wurde eine als Ferienwohnung angebotene Immobilie im Jahr 2015 durchschnittlich 34 Tage vermietet und im Jahr 2016 im Schnitt an 28 Tagen. Das nun in Aussicht gestellte Vermietungsmodell macht also tatsächlich mehr möglich als bisher nötig ist.

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Unüberschaubarer Markt der Anbieter

Der Kunstgriff der Gesetzesänderung besteht freilich darin, dass der Senat dem Einzelnen mehr Freiheit bei der zeitweisen Vermietung verschafft, dies aber an eine effektive Kontrolle koppelt. Damit kann die Landesregierung, wenn alles klappt, die Defizite beim Vollzug des bisherigen Ferienwohnungsverbots beheben.

Denn der nahezu unüberschaubare Markt der Anbieter führte bisher dazu, dass Verstöße gegen das Ferienwohnungsverbot nur in überschaubarer Größenordnung festgestellt und geahndet werden konnten.

Künftig müssen alle, die ihre Wohnung legal anbieten wollen, eine Registriernummer beim Bezirk abholen. Diese Nummer muss bei jedem Online-Inserat aufgeführt werden.

Die Bezirke können dadurch ganz leicht unterscheiden, wer seine Wohnung legal anbietet und wer nicht. Teile und herrsche – das alte Macht-Prinzip, eine zu besiegende Gruppe aufzuspalten, um seine eigenen Interessen durchzusetzen, erfährt im neuen Zweckentfremdungsgesetz also eine recht aktuelle Interpretation. Wenn’s hilft – warum nicht?

Vorgehen gegen Leerstand und Spekulation

Ob es am Ende gelingt, die Interessen der Mieter gegen die Ferienwohnungs-Lobby zu verteidigen, hängt aber entscheidend von der Ausführung des Gesetzes ab. Papier ist bekanntlich geduldig. Damit das Ferienwohnungsverbot, das ja für eine Vermietung über 60 Tage hinaus weiterhin gilt, durchzusetzen ist, müssen die Bezirke also auch mit ausreichend Personal ausgestattet werden.

Dass das Ferienwohnungsverbot nach wie vor gebraucht wird, daran besteht indes kein Zweifel. Ohne das Verbot würden immer mehr Mietwohnungen in den Innenstadtbezirken zu Ferienwohnungen. Denn damit lässt sich einfach mehr Geld verdienen.

Für alle, die dringend eine Mietwohnung suchen, wäre das fatal. Das geänderte Zweckentfremdungsverbot zielt aber nicht nur auf die Ferienwohnungen. Mindestens genauso bedeutsam ist das nun geplante verschärfte Vorgehen gegen Leerstand und Spekulation mit Wohnraum.

So sollen die Bezirke künftig Treuhänder einsetzen können, um verwahrloste Häuser wieder bewohnbar zu machen. Damit sollen die Bezirke eine Handhabe bekommen, um teilweise seit Jahren verfallende Gebäude in ihre Obhut zu übernehmen, zu sanieren und die Kosten dafür den Eigentümern in Rechnung zu stellen. Richtig so!

Bau bedarfsgerechter Wohnungen ankurbeln

Denn es ist nur schwer nachvollziehbar, dass in einer Stadt mit angespannten Wohnungsmarkt manche Eigentümer ihre Immobilien immer noch lieber leerstehen lassen statt sie zu vermieten. Wahrscheinlich wird mancher Vermieter-Lobbyist die Regelung reflexartig als Enteignung oder enteignungsgleichen Eingriff ablehnen.

Doch das wäre kurzsichtig. Denn neben jedem verfallenden Haus stehen andere Häuser, deren Wert durch die Nachbarschaft zu einer Schrottimmobilie leidet. Es ist deswegen auch im Interesse der Hausbesitzer, wenn der Senat im Zusammenwirken mit den Bezirken etwas gegen den Verfall unternimmt. Aus Gründen der Sicherheit ist es ohnehin geboten, im Sinne der Wohnungssuchenden sogar dringend nötig.

Klar ist aber auch, regulierende Eingriffe, wie sie mit der Gesetzesverschärfung geplant sind, können nur ein Teil der Bemühungen sein, um die Probleme auf dem Berliner Wohnungsmarkt zu lösen. Mindestens genauso wichtig ist es, den Bau bedarfsgerechter Wohnungen anzukurbeln.

Nötig sind nicht irgendwelche Wohnungen, sondern Wohnungen für Menschen aus allen Schichten. Das Problem hat der Senat zwar erkannt, doch plant er bisher leider noch immer zu wenig Sozialwohnungen. Hier muss sich die Landesregierung noch deutlich steigern.