Kommentar: Schon wieder habe ich Plastik gekauft! Ich musste!

Oh mein Gott! Da stehe ich schon wieder vor meinem Lieblingsinder und hänge eine Tüte an meinen Fahrradlenker, die mit Take-away-Boxen zum Platzen gefüllt ist. Plastiktüte natürlich, und die Boxen sind garantiert nicht kompostierbar. Ich schwöre, ich habe darüber nachgedacht, selber zu kochen, aber dazu hätte ich einkaufen müssen und als ich aus dem Büro kam, war es sowieso schon so spät. Und meine Tochter ins Restaurant zu bestellen wie neulich, habe ich heute nicht gewagt: sie kommt vom Training und hat noch Physikhausaufgaben.

Ich könnte, überlege ich mir beim Nachhausefahren, jetzt zum Ausgleich vier Wochen lang nur Glasflaschen mit Saft kaufen statt Tetrapacks. Aber deren Ökobilanz ist ja nicht in jedem Fall besser … Glasflaschen mit regionalem Saft müssten es sein! Und endlich mal in der Bio-Company-Filiale an der Yorckstraße kaufen und eigene Behältnisse mitbringen, um den Reis und die Nudeln lose abfüllen zu können.  Warum zum Teufel, frage ich mich, während ich mich über mein schlechtes Gewissen ärgere, wird Plastik nicht einfach verboten? Und die Helmpflicht eingeführt? Das würde den Alltag wirklich erleichtern.

Plastik hamstern auf dem Meer

Im Sommerurlaub habe ich mir eine Luftmatratze gekauft. Ja, aus Plastik. Ich musste. Der Strand war so voll, dass man sich nicht einmal hinsetzen konnte, ohne der Belästigung verdächtigt zu werden, die Flucht aufs Meer war Notwehr. Es gab nicht so viel Auswahl und ich nahm eine, die aussieht wie ein Muffinblech: mit lauter Vertiefungen auf der Oberseite. Vielleicht, damit man sich Nüsschen mit aufs Wasser nehmen kann? Ich habe mit meiner Tochter „Seehamster“ gespielt und das herumschwimmende Plastik aus der Bucht gefischt und in den Mulden gesammelt. Zigarettenpapier, Tütenreste, Eispapier. Man hätte es vom Strand aus nicht vermutet, aber jede Tour hat sich gelohnt.

Der Name war geklaut,  „Seehamster“ heißt das kleinste Gefährt der „maritimen Müllabfuhr“, die die Organisation One Earth One Ocean (OEOO) erfunden hat: ein Katamaran mit Netzen, der in Binnengewässern und in der Ostsee sauber macht. Die Meeresvariante heißt „Seekuh“ die seit diesem Jahr weltweit eingesetzt wird, wenn man der Website des OEOO trauen darf, ein Verein übrigens, den ein vom Plastik genervter Segler, der Münchner IT-Unternehmer Günter Bonin, 2011 gegründet hat. Ein Jahr später schon gab  es einen Prototypen des Hamsters und nach vier Jahren lief die erste Kuh vom Stapel.

Visionen eines Unzufriedenen

Wenn das Depot der Seekuh voll ist (was angesichts von 140 Millionen Tonnen Plastik in unseren Weltmeeren alle fünf Minuten der Fall sein dürfte), kommt in der Zukunftsvision des One Ocean-Vereins der „Seefarmer“ angefahren, ein bemanntes Sammelschiff, um den Kuhmagen zu leeren und zum „Seeelefanten“ zu bringen, einer auf dem Meer schwimmenden Verölungsanlage. Da könnte dann aus Plastik schwefelfreies Heizöl entstehen.

So wurde aus einem unzufriedenen Segler ein Weltrettungsvisionär. Das ist definitiv eine zu hohe Latte für eine berufstätige Mutter mit Organisationsdefiziten. Aber vielleicht ist die Umwelt auch für kleine Gesten dankbar? Alles Plastik im Laden lassen. Tatsächlich mit Schraubgläsern einkaufen gehen. Spielzeug nur Second Hand kaufen. So was. Und demnächst mal soviel an One Earth One Ocean spenden, wie das letzte Essen in der Take away Box gekostet hat.