Kommentar: Wie sich die Polizei auf Social-Media-Kanälen als Staatsmedium inszeniert
Diese wunderbare Geschichte veröffentlichte Berlins Polizei kürzlich auf Facebook: Ein vom Schultag müdes Mädchen öffnet die schwer gehende Pforte, um zu seinem Elternhaus in Pankow zu gelangen, dem „warmen familiären“ Zuhause, „dem Sehnsuchtsort nach einem anstrengenden Tag“. Was es jetzt sieht, „lässt es jäh erstarren“. Mit „stockendem Atem“ nimmt es an der Haustür eine dunkle Gestalt wahr. „Der Schülerin gefriert das Blut in den Adern.“
Weiter heißt es, dass die Mutter die Polizei ruft, die „innerhalb kürzester Zeit“ eintrifft und dem Einbrecher Handschellen anlegt. „Und während das Mondlicht durch das Fenster des Hauses bricht, sitzt der Einbrecher noch immer im Polizeigewahrsam.“ Doch diese Geschichte, so kitschig sie klingt, erzählt nicht alles. Zum Beispiel, dass der Täter wieder frei ist.
Schrieb die Polizei einmal selbst, dass ihr ein Einbrecher weglief?
Etwa 196.600 Leute haben die Facebook-Seite der Polizei abonniert und knapp 191.700 geliked. Auf ihren Twitter-Kanälen hat die Behörde insgesamt 777.000 Follower. Angesichts solcher Abozahlen wurde die Polizei selbst zum Massenmedium. Ziel sei es, dass die Polizei Berlin selbst die Informationshoheit über ihr Handeln hat, begründet die Behörde.
Davon abgesehen, dass die Polizei, so wie andere Behörden inzwischen auch, amtliche Inhalte zwei amerikanischen Konzernen anvertraut, stellt sich die Frage: Wo führt das hin? Die Behörden informieren nicht nur über ihre Arbeit und klären auf, sondern sie sind zu (wirklichen) Staatsmedien geworden, zu Erfolgsmeldern in eigener Sache.
Was passiert, wenn irgendwann nur noch der Staat die Informationshoheit hat und allein über die Öffentlichkeit walten kann? Schrieb die Polizei schon einmal selbst, dass ihr ein Einbrecher weglief? Oder dass die Waffen, die sie 2018 kaufte, mangelhaft waren?
So wie in der DDR
Und wie verhält es sich mit der Diskrepanz zwischen der Zahl öffentlich mitgeteilter Tötungsdelikte und den deutlich zahlreicheren in der Kriminalstatistik? Wiederholt war das ein Thema in der Presse. Wer sich zudem beim Landgericht umsieht, staunt, was alles in Berlin passierte und wovon die Polizei nichts berichtete. Es war auch nicht das „Socialmedia-Team“ der Polizei, das selbst über die Einbrüche in seine Dienststellen und Sicherheitslücken schrieb. Oder über Polizisten, die bei einer Prügelei in einer Moschee verletzt wurden.
Über überforderte Bereitschaftspolizisten bei einem eskalierten Rappertreffen im Görlitzer Park. Alles wurde nur publik, weil Journalisten nachfragten und die ganze Geschichte erzählten. So war es auch bei vielen Pannen, die die Polizei im Fall Anis Amri einräumen musste. Ob gefangene Einbrecher, gestoppte Raser, erwischte Dealer oder Fahndungserfolge: Das Staatsmedium Polizei bestimmt zunehmend, was Tagesgespräch ist – und was eben nicht. So gibt es wundersamerweise seit 2017 in Berlin keine misshandelten Kinder mehr. Man stelle sich vor, nur noch der Staat würde sagen, was ist ... So wie in der DDR.