Kommentar zu Bundesjustizminister: Heiko Maas – der Watschenmann
Im Bundeskabinett sitzen die Kanzlerin, 14 Minister und ein Watschenmann. Der Watschenmann ist eine Jahrmarktfigur des Wiener Praters, auf die jeder eindrischt, der mit seinen Kräften öffentlich prahlen oder sich einfach abreagieren will: „Na so gehts halt in den Prater, watschents dort den Watschenmann!“
Ihre anhaltende Popularität verdankt die Figur dem Angebot, dass auf sie tatsächlich jedermann ohne Anlass, nur einer Lust und Laune folgend, ungestraft einschlagen darf. Heiko Maas (SPD) ist keine Jahrmarktfigur, sondern der Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz, doch vergeht seit Monaten kaum ein Tag, an dem nicht ein Politiker des Koalitionspartners, der Grünen, der Linken, der FDP und der rechtsradikalen AfD ihm lustvoll öffentlich einen Hieb versetzt, häufig gezielt unterhalb der Gürtellinie. Heiko Maas ist der Watschenmann der Bundesregierung.
Fall Gina-Lisa sorgte für Dresche
Zuletzt hat Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) auf ihn eingedroschen und seinen Rücktritt verlangt. Maas habe sich mit Äußerungen zur Verschärfung des Sexualstrafrechts in das laufende Verfahren gegen das Model Gina-Lisa Lohfink wegen falscher Verdächtigung eingemischt: „Ein anständiger Minister müsste da zurücktreten.“ Maas hatte sich keineswegs zum Fall Lohfink geäußert, sondern allgemein, ohne auf den Fall Bezug zu nehmen, die Verschärfung des Rechts verlangt. Ein „anständiger“ Minister müsste nach einer solchen falschen Verdächtigung eines Kabinettskollegen zurücktreten. Aber wenn es um Maas geht, ist inzwischen fast allen fast alles erlaubt.
Vermutlich ist Heiko Maas der fleißigste Justizminister in der Geschichte der Bundesrepublik. Seit seinem Amtsantritt hat er 76 Gesetzesvorlagen erarbeiten lassen, mehr als jeder seiner Amtsvorgänger. Allein die Zahl besagt natürlich nichts über den Erfolg der Arbeit. Nicht alle Gesetzesinitiativen aus dem Hause Maas sind gelungen – auf ein geplantes Verbot sexueller Diskriminierung in der Werbung sollte er verzichten –, aber es überwiegt die Habenseite: die Begrenzung der Makler-Provisionen, die doppelte Staatsbürgerschaft, Gesetze gegen zu hohe Dispozinsen, gegen Korruption im Gesundheitswesen usw.
Maas’ Bilanz kann sich sehen lassen, aber wer will, wird – wie die Links-Partei – „nichts justizpolitisch Bedeutendes“ erkennen, sondern nur ein „Abarbeiten von Koalitionsvereinbarungen am Fließband“. Wem würde es gefallen, wenn Maas die Koalitionsvereinbarungen nicht abarbeiten, sondern – wie einige seiner Kollegen und Vorgänger – einfach nicht beachten würde?
Vorwurf des "Lügenministers"
Ist Maas ein „Lügenminister“? Der Vorwurf wurde jetzt im Spiegel erhoben. Es geht um den Streit zwischen dem Justizministerium und dem inzwischen entlassenen Generalbundesanwalt Harald Range über die Geheimnisverrat-Ermittlungen gegen den Blog Netzpolitik.org vor einem Jahr. Im Rechtsausschuss des Bundestages hatte Maas bestritten, Range die Weisung erteilt zu haben, ein vom Generalbundesanwalt in Auftrag gegebenes Gutachten zu stoppen, Range bestand darauf, eine Weisung erhalten zu haben. Jetzt hat der Spiegel den Aktenvermerk eines Mitarbeiters von Range entdeckt, der die Darstellung des gefeuerten Generalbundesanwalts angeblich stützt. Natürlich stützt er ihn – jeder Beamte wird in der Akte das vermerken, was ihm der Chef diktiert.
Die immer wütenderen Attacken gelten nur auf den ersten Blick dem Justizminister Maas, gemeint ist aber der Gesellschaftspolitiker Maas, der als einziges Mitglied der Bundesregierung nicht nur den Mumm hat, sondern auch das rhetorische Talent, den Hassparolen von AfD und Pegida entgegenzutreten – was den Neid der Minderbegabten und Mutlosen evozieren mag. So ruhig und lustvoll, wie Maas in einer Talkshow vor einiger Zeit den AfD-Vize Alexander Gauland als Lügner überführte, hat schon lange kein Politiker gezeigt, dass selbstbewusstes Eintreten für die Demokratie gar nicht schwierig ist, wenn einer darauf besteht, die Lüge als Lüge zu bezeichnen und die Garantie der Menschenwürde als nicht überschreitbare Grenze.
Vielleicht wird Maas nicht als der erfolgreichste Justizminister in die Annalen eingehen. Aber der Ruf, in dieser Zeit einer der engagiertesten Verteidiger von Demokratie und Rechtsstaat zu sein, ist ihm nicht mehr zu nehmen. „Rechtsstaat ist wie das tägliche Brot, wie Wasser zum Trinken und wie Luft zum Atmen, und das Beste an der Demokratie gerade dieses, dass nur sie geeignet ist, den Rechtsstaat zu sichern.“ Das Wort stammt nicht von Heiko Maas. Aber es passt zu ihm. Gesprochen hat es sein großer Amtsvorgänger Gustav Radbruch (1878–1949).