Kommentar: Zu schnelles Fahren ist gesellschaftlich akzeptiert

Von Vollzugsdefizit kann in diesem Fall ausnahmsweise keine Rede sein. Die neuen Strafbestimmungen, die auf die Teilnehmer illegaler Autorennen und andere Raser zielen, werden in Berlin immer häufiger angewandt. Im vergangenen Jahr zog die Polizei mehr als 160 Autos ein, die bei solchen Vergehen eine Rolle gespielt haben, und kassierte 130 Führerscheine.

Nicht weniger als 400 Verfahren sind bei Amts- und Staatsanwaltschaft derzeit anhängig. Die Raserparagrafen, die auf Betreiben der großen Koalition 2017 ins Strafgesetzbuch eingefügt worden sind, haben sich offenbar als praktikabel erwiesen – und die Berliner Behörden scheinen gewillt zu sein, sie auch anzuwenden.

Auf anderen Feldern bleiben allerdings Wünsche offen. Zwar ist klar, dass die Zahl der Blitzer weiter steigen wird. Doch die mobile Tempomesstechnik wird zu selten eingesetzt, die Zahl der Geschwindigkeitskontrollen war schon einmal höher.

Blitzer werden demoliert

Die Empörung ist groß, wenn Menschen bei illegalen Straßenrennen sterben – wie 2016 in der Tauentzienstraße in Berlin. Überschreitungen des zulässigen Tempos um zehn oder 20 Kilometer in der Stunde gelten aber weithin als akzeptiertes Kavaliersdelikt. Dabei ist nicht angepasste Geschwindigkeit selbst in Berlin, wo es keine langen Landstraßen gibt, dritthäufigste Unfallursache. Sechs der 36 Verkehrstoten 2017 gingen auf ihr Konto.

Doch wenn sich die Polizei mit Radargeräten an die Straße stellt, ist gleich von Abzocke die Rede. Und in Köpenick ist der Blitzer, der seit November an der Straße An der Wuhlheide steht, allein bis Anfang Dezember dreimal demoliert worden. So viel ist klar: In der Mitte der Gesellschaft gibt es keinen Wunsch, mehr gegen das alltägliche Rasen zu unternehmen.