Kommentar zu zunehmender Gewalt in Berlin: Viele Straftaten, keine Täter

Berlin - Die Zahlen lesen sich alarmierend. 185 Gewalttaten gegen Minderheiten registrierte die Beratungsstelle Reachout (zu Deutsch: die helfende Hand reichen) im Jahr 2013. Allein 44 Angriffe richteten sich gegen Homosexuelle, acht hatten einen antisemitischen Hintergrund.

Eine Häufung dieser Attacken gab es in Schöneberg und Kreuzberg. Das Zahlenwerk rührt auf, und Dilek Kolats Senatsverwaltung für Integration gibt zu Recht Geld gegen Rechtsextremismus, damit Projekte wie Reachout ihre Mitarbeiter bezahlen können.

Doch wie hilfreich ist die Statistik? Was sagt sie über die Täter? Fahren Hellersdorfer Neonazis nach Schöneberg, um Schwule zu verprügeln? Sind es urdeutsche Dumpfbacken, die in Wedding Menschen als „Judensau“ beschimpfen, weil diese eine Kette mit Davidstern tragen? „Wir machen keine Täterrecherche“, sagt Sabine Seyb von Reach Out. Das ist schade. Man gewinnt den Eindruck, dass die Urheber der Statistik beide Augen zudrücken, weil die Benennung der Täter Ausländerfeindlichkeit schüren könnte. Frau Seyb bestreitet gar, dass es unter türkischen und arabischen Jungmännern eine gesteigerte Homophobie gibt.

Schon vor Jahren verwies etwa das Antigewaltprojekt Maneo darauf, dass es gerade in Schöneberg zu Übergriffen auf Homosexuelle durch junge Männer mit türkischem oder arabischem Migrationshintergrund kommt. Der Rabbiner Daniel Alter wurde 2012 in Friedenau zusammengeschlagen von arabischstämmigen Männern.

Pädagogen beobachten mit Sorge, dass Schüler die Vokabeln „schwul“ oder „Jude“ als Schimpfworte nutzen – vor allem in Schulen mit hohem Anteil an Kindern, die in einem muslimisch-patriarchalisch geprägten Wertesystem aufwachsen.

Homophobie und Antisemitismus gibt es auch im deutschen Durchschnittsvolk. Doch man muss die Probleme beim Namen nennen, um sie zu lösen.

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