Kommentar zum Abtreibungsrecht: Der Kompromiss zum Paragrafen 219a riecht faul
Die große Koalition hat sich über den Abtreibungsparagrafen 219a verständigt. Dieser Paragraf des Strafgesetzbuches stellt Werbung für Schwangerschaftsabbrüche unter Strafe. Frauenärztinnen und -ärzte, die auf ihrer Webseite informieren, dass sie diesen Eingriff anbieten, sind deshalb immer wieder angezeigt worden.
Frauenärztin muss 6000 Euro zahlen
Die Frauenärztin Kristina Hänel wurde wegen des Deliktes erst kürzlich zu einer Geldstrafe verurteilt. Auf ihrer Webseite hat sie ihr Leistungsspektrum aufgelistet. Unter Frauengesundheit steht der Begriff „Schwangerschaftsabbruch“, den man anklicken und dann die eigene Mailadresse für weitere Informationen hinterlassen kann. Das sieht nun ganz und gar nicht nach Werbung aus, kostete Hänel aber 6000 Euro Bußgeld.
Ärzten ist laut ihrer Berufsordnung grundsätzlich nur sachliche berufsbezogene Information gestattet. „Anpreisende, irreführende oder vergleichende Werbung“ ist ebenso verboten wie jede Form von Werbung mit reißerischen oder marktschreierischen Mitteln. Dennoch hat man bei der Regelung der Abtreibung ein Werbeverbot extra noch mal in den Paragrafen aufgenommen. Sicher ist sicher.
Betretene Gesichter bei den Politikern
Hänels Fall hat die Forderungen, den Paragrafen 219a zu streichen, erneut entfacht. Es gab Demonstrationen und Zeitungskommentare und betretene Gesichter bei den Politikerinnen und Politikern der großen Koalition. Die besteht bekanntlich aus CDU/CSU und SPD. Die Genossinnen könnten gut ohne den 219a leben, die Union dagegen hält jeden bürokratische Hindernis auf dem Weg zum Abbruch offenbar für aktiven Lebensschutz. Nur so lässt sich die Weigerung erklären, einen Unterschied zwischen Information und Werbung zu erkennen.
Ein guter Deal? Nur für die Politiker
Jetzt aber gibt es einen Kompromiss. Die Ärztinnen und Ärzte dürfen nun kundtun, dass sie Schwangerschaftsabbrüche anbieten. Für weitere Informationen müssen sie jedoch an die gesetzlichen Beratungsstellen verweisen.
In ersten Kommentaren war am Dienstag zu lesen und zu hören, dass dies ein guter und tragfähiger Kompromiss sei, der beiden Seiten gerecht werde. Für die große Koalition mag das eine tolle Sache sein. Jeder hat dem anderen etwas abgerungen. Und das noch, bevor irgendjemand das Wort Koalitionskrise in den Mund genommen hat. Großer Erfolg.
Den Frauen allerdings bleibt nach diesem typischen Politikerkompromiss der mehr als fade Beigeschmack der Gängelung. Ihnen wird ein sehr, sehr kleines Trippelschrittchen als Fortschritt verkauft.
Von Termin zu Termin
Demnächst werden Frauen, die einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen wollen, also auf der jeweiligen Webseite erfahren können, welche Praxis dazu bereit ist. Sobald sie sich aber über das Verfahren, die Narkose und weitere Dinge informieren wollen, heißt es: Bitte gehen Sie zur Beratungsstelle. Die aber kann nur allgemein informieren. Wie die einzelne Ärztin oder der Arzt vor Ort vorgeht, erfährt man im vertraulichen Patientengespräch, wenn man einen Termin ausgemacht hat. Der Gesetzgeber mutet den betroffenen Frauen, die in der Regel in Zeitnot sind, eine Termin-Odyssee zu.
Natürlich ist eine Abtreibung nicht irgendein medizinischer Eingriff. Aber gerade deshalb sollten Frauen, die in einer derartige Notlagen sind, so wenig wie möglich schikaniert werden. Und natürlich besteht die Politik aus Kompromissen. Aber manche sind wirklich faul.