Kommentar zum Fall Oury Jalloh: Das Mord-Szenario ist nicht wahrscheinlicher geworden

Ein Polizist nimmt in einer Dessauer Polizeizelle ein Feuerzeug, verteilt Brandbeschleuniger und zündet einen gefesselten, wehrlosen Asylbewerber an. Der Mann heißt Oury Jalloh. Er stirbt im Feuer. Motiv der Tat: Rassismus. Ein deutscher Polizist als rassistischer Mörder – das ist ein unerträglicher Gedanke. Dieser Verdacht quält uns allerdings schon einige Zeit, nicht erst seit den neuen Berichten über nur einige der Gutachten in dem Fall.

Nein, das Mord-Szenario ist jetzt nicht wirklich wahrscheinlicher geworden. Es ist nach wie vor möglich – es ist aber weiterhin möglich, dass der unter Alkohol und Drogen stehende Oury Jalloh durch eigene Hand umkam. Die verschiedenen Gutachter, die sich des Falls annahmen, arbeiten bezeichnenderweise mit Wahrscheinlichkeiten und nicht mit Gewissheiten. 

Kein Frieden für niemanden

Das Wenige, das wir zweifelsfrei wissen, ist: Oury Jalloh ist tot und er verbrannte in einer Polizeizelle in Dessau. Zu allem anderen gibt es verschiedene Meinungen, Versionen und Erklärungen. Nichts davon ist so eindeutig, dass Jallohs Tod eindeutig geklärt werden kann. Was bleibt, sind Zweifel an den Behörden und eine Blamage des Rechtsstaates in Sachsen-Anhalt.

Zwei Prozesse haben keine Klärung gebracht – aber die richterliche Beschwerde, dass Polizisten die Aufklärung behinderten. Und die Staatsanwaltschaft Halle hat die Mordermittlungen beendet mit dem Eingeständnis, dass sie den Fall nicht klären kann.

Das ist extrem unbefriedigend. Für eine Öffentlichkeit, die gerne sicher sein würde, dass in deutschen Zellen keine Menschen verbrannt werden. Für die Behörden, die als Versager dastehen und mit dem Verdacht leben müssen, dass in ihren Reihen ein Mörder sein könnte. Und für die Freunde und Familie Jallohs, denen ohne Klärung nie gelingen kann, ihren Frieden mit seinem Tod zu finden.