Kommentar zum "mutmaßlichen Giftgasangriff": Deutschlands Medien müssen sich vielfältiger mit Syrien beschäftigen
Was die meisten deutschen Medien als „mutmaßlichen Giftgasangriff des Assad-Regimes“ auf die „Rebellen-Enklave“ Duma abhandeln, stellt die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) so dar: „Medizinische Helfer sprachen von mindestens 40 Todesopfern, konnten aber keine klaren Angaben über die Art der mutmaßlich eingesetzten Chemikalien machen.“ Außerdem habe die oppositionsnahe „Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte“ in London „keine chemischen Waffen“ erwähnt, sondern „den Tod von 70 Personen“ gemeldet. Die Regierung in Damaskus bestreitet den Giftgaseinsatz. Das dokumentieren deutsche Medien. Anders als die NZZ unterschlagen sie jedoch, dass der aktuelle Beschuss von Damaskus seitens Aufständischer „mindestens acht Todesopfer in der Hauptstadt gefordert“ habe.
Natürlich weiß ich nicht, wer in Syrien womit schießt und dabei gewiss unbeteiligte Zivilisten tötet. Nur wissen es diejenigen, die bis heute „die Rebellen“ unterstützen, auch nicht. Aber es scheint mir auf Seiten der siegreichen Regierungstruppen kein Motiv zu geben. Anders die Aufständischen: Angesichts ihrer Niederlage haben sie Gründe, gestellte Bildsequenzen zu verbreiten. Auch kann niemand ausschließen, dass sie selbst einen Giftgasangriff begehen, um die Untat der Regierung in Damaskus in die Schuhe zu schieben. Spekulationen.
Was Deutschland betrifft, muss man anerkennen, dass die Nachrichtenpolitik derzeit etwas vielfältiger geworden ist. So berichtet die FAZ aktuell: „Beide Seiten missbrauchen Zivilisten als menschliche Schutzschilde“. Neuerdings werden die islamistischen Freikorps klar als das bezeichnet, was sie sind: „eine von Saudi-Arabien unterstützte Salafistenmiliz“. Über die Gespräche russischer Vermittler zum freien Abzug dieser Miliz teilt die FAZ mit, sie seien daran gescheitert, dass sich die Freischärler weigerten, ihre schweren Waffen abzugeben.
Man muss sich selbst ein Bild von Syrien machen
Ist das eine unbillige Forderung russischer Unterhändler? Mehr noch: „Die Kämpfer sollen“, so die FAZ, „nach dem russischen Angebot nach der Kapitulation sogar in eine örtliche Sicherheitstruppe integriert werden.“ Doch weigerten sich einige Brigaden auf solche – wie ich finde – sehr großzügigen, einem Frieden dienliche Angebote einzugehen. Es gibt keinen legitimen Grund dafür, dass der antidemokratische westliche Bündnispartner Saudi-Arabien die Zukunft Syriens bestimmt. So wie die Verhältnisse in dem jahrelang auch von außen befeuerten Krieg liegen, verhalten sich die russischen Unterhändler vernünftig. Hätte Russland nicht interveniert, würden heute libysche Zustände in Syrien herrschen. Da bin ich sicher.
Für deutsche Journalisten sensationell, hat der FAZ-Korrespondent Christoph Ehrhardt Syrien bereist. In seinem lesenswerten Bericht vom 26. März spricht er von der „Willkürherrschaft islamistischer Milizen“, von der täglichen Angst in Damaskus, dass dort Granaten und Raketen der Islamisten einschlagen, und davon, wie viele Syrer die Herrschaft Assads als das kleinere Übel ansehen. „Würdest du akzeptieren, dass bärtige Barbaren deine Stadt mit Raketen beschießen?“ Wie wäre es, wenn sich unsere Minister, unsere Parlamentarier in Syrien selbst ein Bild machten und anschließend laut darüber nachdächten, wie Deutschland diesem geschundenen Land helfen kann?