Kommentar zum Streit um erhöhte Gebühren: Weltfremde Gema zerstört die Fête
Zum Glück gibt es die Gema! Keine andere Einrichtung eignet sich so gut zum Draufrumhacken, Schimpfen, Lästern und Verfluchen – na gut, vielleicht noch Finanz- und Ordnungsämter. Die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte sorgt mal wieder für mächtige Aufregung in der Stadt.
Vor zwei Jahren gab es heiße Debatten, weil die Münchner die Abgabepflicht für Clubs und Diskotheken um bis zu 500 Prozent erhöhten, nun haben sie sich die Fête de la musique vorgenommen. Das stadtweite Musikspektakel, das seit 20 Jahren am 21. Juni weltweilt gefeiert wird, ist aus Sicht der Behörde nicht mehr, wie bisher anstandslos akzeptiert, ein Straßenfest, sondern wird als Konzert eingestuft. Und dafür müssen die Veranstalter mehr Geld bezahlen.
Im alljährlichen Budget aus Landes- und Lotto-Mitteln, bis 2017 sicher festgelegt, ist diese Erhöhung natürlich noch nicht berücksichtigt. Und das bringt die Veranstalter, wie am Dienstag, berichtet, in Bedrängnis. Sie fürchten, die Fête Berlin sei so nicht mehr finanzierbar. Wir haben darüber berichtet.
Der Gema fehlen Imbissbuden
Drollig, nein, ärgerlich, ist die Begründung der Behörde: Bei einem Straßenfest seien doch nun mal Imbissbuden, Bierzelte und Schaustellergeschäfte typisch. Und die gebe es bei der Fete de la musique, wie der zuständige Gema-Sachgebietsleiter der rührigen Veranstalterin Simone Hofmann schreibt, „nach Sichtung der Videos“ nicht oder nicht in nennenswertem Umfang. Vielleicht wäre der gute Mann mal aus seinem Büro und an einen der vielen Plätze in der Stadt gegangen und hätte sich selbst ein Bild gemacht.
Vielleicht sind wir aber auch selbst schuld: Hätten wir in den Vorjahren bloß mehr Bierbänke und Rummelgeschäfte auf die Straße gestellt, statt mit einem Bier vom Späti in der Hand der noch unbekannten Band auf der Straße zuzuhören? Bierbank = Straßenfest. Keine Bierbank = Konzert. So legt es die Gema nun fest: Die Fête de la musique wird als Konzert eingestuft und bringt der Gema mehr Geld. Und das Land Berlin sagt, da könne man nichts machen.
Doch dann wird es immer abstruser: Da meint ein Gema-Mitarbeiter doch ernsthaft, Konzerte seien im Regelfall dadurch gekennzeichnet, dass nicht getanzt werde. Welche Konzerte mein der Mann? Sicher klassische.
Weltfremde Regeln
Aber wer je auf einer Fête de la musique war oder auf einem Konzert, wird doch hoffentlich wissen, dass man zu guter Musik tanzt, ganz klar. Oder wenigstens wippt, oder schunkelt oder sonst wie seinen Körper zur Musik bewegt. Oder definiert die Gema jetzt auch noch, was als tanzen zählt? Wie weltfremd, ignorant und lustfeindlich muss man eigentlich sein, solche Regeln aufzustellen.
Simone Hofmann, entnervt von der Ignoranz und Dreistheit der Münchner Behörde , hat nun schon vorgeschlagen, die Besucher aufzufordern „Bitte nicht tanzen!“ Ihre mehrfachen, energischen und mit gute Argumenten geführten Versuche, die Fête de la musique nach dem Vorbild des Entstehungslandes Frankreich komplett lizenzfrei zu machen, sind an der harten Haltung der Gema gescheitert. Sie müsse die Interessen ihrer Mitglieder vertreten.
Aber wie viele Gema-Mitglieder treten eigentlich bei der Fête de la musique auf? Welcher Straßenmusiker und welche Schrummel-Garagen-Band, die am 21. Juni endlich mal ohne Anmeldung und ohne Vertrag auf der Straße spielen kann, lässt ihre Interessen von der Gema schützen?
Jährliche Einnahmen von 820 Millionen Euro
Von einer Behörde, die den Berliner Veranstaltern im Januar 2014 noch zusichert, an der Gebühr werde sich trotz neuer Einstufung nichts ändern, um dann im Juni 2014, wenige Tage vor dem diesjährigen Straßenfest, äh, nein, Konzert mitzuteilen: Sorry, wir haben uns geirrt. Wir erhöhen nun doch die Gebühr um 63 Prozent. Basta. Was läuft da schief, in einem Betrieb der jährlich mehr als 820 Millionen Euro einnimmt?
Auf der Facebook-Seite der Berliner Zeitung löste die Meldung gestern einen Shitstorm der Leser aus (in Originalschreibweise). „Sowas wie Gema gehört verboten. Sollen meine Kinder jetzt auch bezahlen, wenn sie beim Spielen singen?“, fragt Stef Fie. „Was die als private Gesellschaft für einen Einfluss haben ist gruselig! Abschaffen oder ne Behörde draus machen, mit transparenten Verteilungsschlüsseln!“, fordert Ria Wallace. Und Frater Invictus schreibt: „super. danke, gema demnächst in diesem theater: live musik überhaupt nur noch für reiche! in diesem land wird jeden tag ständig alles immer lächerlicher.“
„Unglaublich! Die #GEMA melkt die Kuh wo sie nur kann, auf Kosten der Kultur. Angeblich nur im Interesse der Künstler. Möchte nicht wissen was die mit verdienen..“, schreibt Mark Conner. Ein Leser mit dem Synonym Kalle AtzePeng gibt zu bedenken: „Sie brüsten sich damit für eine gerechte Entlohnung ihrer Mitglieder (nicht Künstler) zu sorgen. Mitglieder meint nur in wenigen Fällen den Künstler selbst, sondern eher dessen Plattenfirma. Das Urheberrecht (das Recht am Werk des Künstlers) haben in der Regel die Plattenfirmen und was die ihren Künstlern zahlen, da hat die GEMA keinen Einfluss mehr drauf.“
Und „Der letzte Berliner“ postet: „gemma weg #GEMA echt traurig, Berlin. Dabei wolltest du dich doch als Kulturmetropole etablieren?!“