Kommentar zum Völkermoprd an den Nama und Herero: Das Unrecht beim Namen nennen

Es war ein Völkermord. Kein Mensch mit unverstelltem  Blick bezweifelt, dass das Vorgehen deutscher Kolonialtruppen im damaligen Deutsch-Südwest gegen Herero und Nama anders genannt werden könnte als Völkermord, ein planvoll verübtes Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Der erste im  an Genoziden übervollen 20. Jahrhundert.

Ja, es gibt noch  Kolonialenthusiasten und Deutschsüdwest-Hobbyforscher, die die Massaker anders interpretieren. Die „Mohren“ hätten ja rebelliert! Deutsche Truppen angegriffen! Es sei Krieg gewesen.

Sie verdursteten, wurden erschossen, starben im KZ

In der Tat: Afrikaner haben sich gegen den Raub ihres Landes, ihres Viehs, ihrer Freiheit gewehrt und sollen also selber schuld gewesen sein daran, dass Herero in die wasserlose Omaheke-Wüste getrieben wurden und verdursteten. Andere wurden erschossen oder starben in Konzentrationslagern. 

Die Kriegführung des deutschen Generals Lothar von Trotha zielte auf die vollständige Vernichtung der Herero. Er selbst hat laut genug damit geprahlt. Zwischen 65.000 und 85.000 Herero waren nach dem Vernichtungskrieg tot, ebenso 10.000 der ebenfalls aufständischen Nama.

In der deutschen Politik, gar in Parlament oder Regierung, kommt schon lange niemand mehr darauf, eine  Schuldverkehrung zu betreiben.

Wer von Völkermord spricht, muss Entschädigung zahlen

Allerdings hat man es viel zu lange  vermieden, das Unrecht  beim Namen zu nennen: Es war Völkermord, begangen vom deutschen Kaiserreich, dessen Rechtsnachfolger die   Bundesrepublik Deutschland ist. Es gab einen nicht vollends abwegigen politischen Grund für das abweisende Verhalten: Wer das V-Wort ausspricht, muss die Folgen tragen, also Entschädigung zahlen. Und das ist eine finanzielle Frage, die nicht allein von deutschen Interessen bestimmt wird.

In Namibia streiten sich seit Langem die  vom Mehrheitsvolk der Ovambo dominierte Regierung mit der Opposition, der die Herero- und Nama-Vertreter zuzurechnen sind. Tatsächlich würden hohe Zahlungen allein an diese beiden Völker die heiklen Binnen-Verhältnisse empfindlich stören. Andererseits ist weder eine Monopolisierung des Geldes durch das Mehrheitsvolk akzeptabel noch die Umgehung der gewählten Regierung. Damit deutsche Reparationen nicht die Nation zerreißen, wird seit Jahren  nach einer Lösung gesucht, die allen zugutekommt – eine, die zudem nicht nur einige Chiefs reich und glücklich macht, sondern wirklich den Nachkommen der Opfer nützt.

Deutsche Politiker entschuldigten sich

Deutschland hat an Namibia Hunderte Millionen Euro Entwicklungshilfe gezahlt, pro Kopf so viel wie an kein anderes Land. Man engagiert sich in der Berufsausbildung, die kulturellen Kontakte sind intensiv. Helmut Kohl hatte bei seinem Namibia-Besuch 1995 eine Begegnung mit den Herero vermieden; 2004 entschuldigte sich Heidemarie Wieczorek-Zeul, Entwicklungshilfeministerin von der SPD, bei einer Gedenkfeier am Waterberg zum Beginn des Mordens 100 Jahre zuvor, für die von Deutschen begangenen Gräueltaten. Eine Versöhnungsinitiative, ausgestattet mit 31 Millionen Euro, trug zur Verbesserung der Lebensbedingungen in den Siedlungsgebieten von Herero und Nama bei, aber viel Geld verschwand.

Am 9. Juli 2015 bezeichnete Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) die Kolonialverbrechen als Völkermord. Einen Tag später folgte das bis dahin zurückhaltende Auswärtige Amt seinem Beispiel. Der Weg ist frei für die letzten Schritte, die die Opferverbände der Herero und Nama mit vollem Recht fordern: offizielle Anerkennung, Entschuldigung und angemessene Entschädigung, die Rückgabe verschleppter Gebeine ermordeter Vorfahren und ein offener Versöhnungsdialog.

Offener Versöhnungsdialog

Inzwischen ist tatsächlich eine Lösung absehbar, lautlos ausgehandelt von Ruprecht Polenz (CDU), der von Montag an für drei Tage die Bundesregierung  in Namibia bei Konsultationen vertritt. Beide Länder bereiten eine gemeinsame Erklärung vor, die das Wort Völkermord enthält. Dann könnte eine hochrangige Person – Bundespräsident oder Kanzlerin – die hochoffizielle Entschuldigung aussprechen.

Doch erbat die namibische Regierung Aufschub, um interne Unstimmigkeiten zu klären. Offenbar sehen sich die Herero weiterhin nicht genügend einbezogen. Sollte es dann aber vollbracht sein, entstünde auch eine Stiftung für Erinnerungskultur und Jugendaustausch. Individuelle Entschädigungen über bereits Gezahltes hinaus gäbe es nicht. Den größten Gewinn trüge ohnehin Deutschland davon: Es hätte sich endlich seiner Verantwortung gestellt und erhielte die Chance, eine Jahrhundertschande zu mindern.