Krawallnacht: Die Rigaer Straße spaltet Berlin

Nach der laut Berliner Polizei „aggressivsten und gewalttätigsten Demonstration“ der vergangenen fünf Jahre ist in der Hauptstadt ein heftiger Streit über den Umgang mit linken Gewalttätern und dem „Wohnprojekt“ in der Rigaer Straße 94 entbrannt. Innensenator Frank Henkel (CDU) zeigte sich entsetzt von der „linken Gewaltorgie“ in der Nacht von Sonnabend zum Sonntag. Die Polizei sei mit einer hochaggressiven und feindseligen Stimmung konfrontiert gewesen, in der „purer Hass“ und enthemmte Gewalt vorherrschten. „Es ist unerträglich, wie das Versammlungsrecht hier von vielen Chaoten und Gewalttätern missbraucht wurde“, sagte Henkel.

Henkel ließ am Sonntag keinen Zweifel an seinem Nein zu Gesprächen mit der linken Szene über eine Deeskalation der Lage. „Ich hoffe, dass jetzt endlich auch die letzten aufwachen und sich von ihren Fantasien verabschieden, mit diesen Autonomen zu verhandeln.“ Forderungen nach einem Runden Tisch zur Rigaer Straße waren beim Koalitionspartner SPD und der Opposition laut geworden.

Auch der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) hatte Henkel aufgefordert, Sondierungen mit gewaltfreien Szene-Vertretern zu versuchen. Müller, der sich wie Henkel ausdrücklich bei der Polizei für ihren Einsatz bedankte, bekräftigte dies am Sonntag. Nach den Krawallen sei klar: „So kann es nicht weitergehen.“ Henkels Verwaltung müsse eine nachhaltige Strategie entwickeln, um eine weitere Eskalation der Gewalt zu verhindern. „Es geht nicht darum, mit Gewalttätern zu reden, sondern mit einem Kiez über Mittel der Isolierung von Gewalt zu reden – im Interesse des Kiezes und der ganzen Stadt“, sagte der Regierende Bürgermeister.

Linksradikale Kräfte hatten bundesweit für Sonnabend zu einer Unterstützer-Demonstration für die Rigaer Straße 94 und ähnliche Hausprojekte in Friedrichshain-Kreuzberg aufgerufen – unter anderem durch einen reklameartigen Internetclip, in dem Straßenschlachten mit der Polizei aus ganz Europa zusammengeschnitten worden waren. Die rund 30 Bewohner der „R94“, die für ihre Wohnungen seit langem Mietverträge haben, fürchten ihre Vertreibung, nachdem die Szenekneipe im Haus, die „Kadterschmiede“, jüngst unter massivem Polizeischutz geräumt wurde.

Die Polizei hatte mit rund 5000 Teilnehmern gerechnet, am Ende kamen etwa halb so viele, hieß es. Darunter waren allerdings Dutzende Gewalttäter, die nach Polizeiangaben am Abend und in der Nacht zum Sonntag Steine und Flaschen auf Beamte warfen, Böller zündeten und stadtweit elf Autos in Brand setzten. Es seien 123 Polizisten verletzt worden, unter ihnen 40 Kräfte aus anderen Bundesländern, etwa aus Sachsen. Das sind mehr als doppelt so viele verletzte Beamte wie zuletzt am 1. Mai in Berlin.

Über die ganze Stadt verteilt waren rund 1800 Beamte im Einsatz. Sie nahmen 86 Gewalttäter fest, um ihre Personalien aufzunehmen, und leiteten 124 Strafermittlungen ein. Haftbefehle wurden nicht ausgesprochen. Auch aufseiten der Demonstranten gab es laut Zeugen Verletzte nach den Auseinandersetzungen mit der Polizei. Wie viele, ist allerdings unklar.

Die Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne) und der Linken-Fraktionschef im Abgeordnetenhaus, Udo Wolf, sprachen sich ebenfalls für einen Dialog aus. Herrmann sagte, Müller dürfe nicht zulassen, dass sich Henkel in Totalverweigerung übe. Wolf erklärte, mit „militärischen Mitteln“ sei der Konflikt nicht zu lösen.