Kreuzberger Modeladen Qadri droht die Räumung am Kottbusser Damm –„Stoppt die Verdrängung!”

Berlin-Kreuzberg - Hassan Qadri merkt, dass es nicht gut für ihn läuft an diesem Dienstag vor dem Landgericht Berlin. Für ihn und seine Familie. Für seinen Laden, den er seit mehr als 16 Jahren am Kottbusser Damm betreibt und der seine Existenzgrundlage ist. „Ich habe doch alles gemacht: Ich habe die Mieterhörung akzeptiert, pünktlich gezahlt, versucht, mit meinem Vermieter zu reden. Ich möchte nur menschliche Gerechtigkeit“, sagt der 60-Jährige. Er will nicht, dass der Richter ihm die Hoffnung nimmt.

Im Saal 3601 hören ihm neben dem Richter und den Anwälten zwölf Zuschauer zu. Mehr Menschen durften nicht in den Saal, weil es keine Stühle mehr gab. Dabei stehen noch rund 50 Wartende vor der Tür. Sie skandieren während der Verhandlung: „Tür auf“, oder „Wir wollen rein“.

Seit 1981 lebt Hassan Qadri in Berlin

Es sind Unterstützer von Hassan Quadri, Leute aus der Gegend vom Kottbusser Damm, die sich nicht vertreiben lassen wollen. Weder aus ihrem Kiez, noch von der Tür des Gerichtssaals. Zwei Wachtmeister halten sie auf Distanz. Doch im Saal ist der Chor der Ausgesperrten immer wieder zu hören.

Der gebürtige Pakistani Hassan Qadri lebt seit 1981 in Berlin. Viele Jahre später erfüllte er sich den Traum vom eigenen Geschäft, der nun mit der Räumung zu platzen droht. Er und seine Frau Joanna, eine gebürtige Polin, verkaufen Damenbekleidung: Tücher in allen Farben, Röcke und Hosen in jeder Größe. Kundinnen sind vor allem Frauen aus der türkischen und arabischen Community. Das Geschäft trägt den Namen „Kamil Mode“, benannt nach dem 22-jährigen Sohn. Kamil Qadri studiert Japanologie. Die Familie ist im Kiez integriert. Der Laden ist ein Anlaufpunkt für Menschen, die hier leben.

Fristgerechte Kündigung trotz Qadris Investitionen

Doch am 13. Juli vorigen Jahres signalisierte der Vermieter, den Qadris kündigen zu wollen, weil er das Haus sanieren und schicker machen wolle, und sich die Familie die dann fällige Miete von 3000 Euro nicht leisten könne. Das Schreiben folgte – mit der fristgerechten Kündigung zum 31. Dezember. Hassan Qadri legte Widerspruch ein, verwies auf Baukosten von 35.000 Euro, die er für die Zusage noch 20 Jahre in dem Geschäft bleiben zu können, vor 13 Jahren selbst bezahlte. Die Kündigung sei demnach treuwidrig. Der Vermieter blieb hart. Er will die Räumung der Räume gerichtlich erzwingen.

Und er hat offenbar gute Chancen, weil die Kündigung wohl rechtlich nicht anfechtbar ist. So lässt es zumindest der Richter durchblicken. Es sei fristgerecht gekündigt worden. Und im Mietvertrag stehe, dass der Mieter bauliche Veränderungen selbst zahlen müsse. Eine Güteverhandlung hält er für zwecklos, weil sich die Eigentümerseite einer solchen Einigung widersetze.

Wut im Kiez

Seit die Qadris die Kündigung erhalten haben, ist die Wut im Kiez über die Verdrängung alteingesessener Geschäftsleute groß. Swenja Ritchie von der Gewerbeinitiative „OraNostra“ sagt, dass die Mieter kaum und die Gewerbetreibenden vom Gesetz gar nicht geschützt würden. In den letzten zwei Jahren seien allein am Kottbusser Damm zehn Geschäfte verdrängt worden, deren Betreiber fast ausschließlich einen Migrationshintergrund hätten. Das wolle man nicht länger hinnehmen.

Swenja Ritchie betont, dass die Resolution „Kamil Mode bleibt!“ von 2 681 Menschen unterschrieben worden seien. Die Bezirksverordnetenversammlung von Friedrichshain-Kreuzberg stellte sich hinter die Qadris, ebenso wie die Bundestagsabgeordneten Canan Bayram (Grüne), Cansel Kiziltepe (SPD) und Pascal Meiser (Linke), Canan Bayram etwa schrieb dem Vermieter der Qadris, ohne eine Antwort erhalten zu haben. Sie sagt, mit der Kündigung werde einer Familie die Existenzgrundlage genommen. Hauseigentümer hätten teilweise völlig weltfremde Vorstellungen vom Wert ihrer Immobilien. „Da muss man regulierend eingreifen“, sagt sie. Damit die Kieze erhalten blieben – mit kleinen Geschäften und nicht als Sauf- und Fressmeilen.

Vorbild Frankreich: Mindestlaufzeiten für Gewerbemietverträge

Leider sei der Mieter in der schwächeren Position, sagt Bayram. Er werde alleingelassen – auch vom Gesetzgeber. Sie verweist auf Frankreich und Holland, wo es Mindestlaufzeiten für Gewerbemietverträge gebe, die die Unternehmen schützten. Wolle ein Vermieter kündigen, müsse er einen triftigen Grund haben.

Hassan Qadri hat in den vergangenen Wochen versucht, andere Geschäftsräume zu finden. Ohne Erfolg. Sein Traum wäre es, bis zur Rente weiter in seinem Laden arbeiten zu können. Er würde für die 64 Quadratmeter auch eine höhere Miete akzeptieren, als die 1200 Euro, die er derzeit zahlt, würde den Laden auch „schicker“ machen, wie es der Eigentümer wolle. Ob sich sein Wunsch erfüllt, wird sich in drei Wochen zeigen. Am 2. April entscheidet der Richter.