EU-weiter Vergleich : Kritik an DIW-Studie zu hoher Mordrate in Berlin
Das Risiko, in Berlin Opfer einer Straftat wie Mord, Totschlag oder fahrlässiger Tötung zu werden, ist laut einer Studie des Deutschen Wirtschaftsinstituts überdurchschnittlich hoch. Diese Studie wird jetzt kritisiert. Die offiziellen Zahlen dazu stammen von der OECD.

Berlin - In keiner anderen Hauptstadt der Europäischen Union ist das Risiko, Opfer einer "Straftat gegen das Leben", wie es in der Behördensprache offiziell heißt, so hoch wie in Berlin. Das ist das Ergebnis einer Studie des größten Deutschen Wirtschaftsinstituts DIW, Mitglied der Leibniz-Gesellschaft. Die Gründe, weshalb die Zahlen für Berlin höher sind als für London, Paris oder Madrid, sind vielfältig. Bei Twitter werden die fraglichen Zahlen nun kritisiert, unter anderem von dem Kameramann und Journalist Tobias Wilke.
Die Wissenschaftler hatten in der Ende Dezember 2019 veröffentlichten Studie die Zahlen von Tötungsdelikten gerechnet auf 100.000 Einwohner von 16 europäischen Hauptstädten im Jahr 2016 verglichen. Für Berlin verwendete das DIW hierbei die offiziellen Zahlen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), eine internationale Organisation mit insgesamt 36 Mitgliedstaaten. Höchstes Entscheidungsorgan der OECD ist der obere Rat, er setzt sich zusammen aus je einem Vertreter der Mitgliedstaaten sowie der Europäischen Kommission. Im Bericht der OECD findet sich die Rate 4,4 unter dem Schlagwort "Intentional Homicide Rate (homicide for 100.000 population). Mit diesem Wert liegt Berlin deutlich vor dem zweiten (Paris mit 2,4) sowie dem dritten Platz (Brüssel mit 2,2).
Unterschiedliche Zahlen
Ein mögliche Erklärung: Bei der Berechnung verwendete die OECD möglicherweise die offiziell ausgewiesenen Zahlen der Polizeilichen Kriminalstatistik, die als "Straftaten gegen das Leben" zusammengefasst werden. Hier werden nicht nur Mord und Totschlag, sondern auch andere polizeilich erfasste Delikte wie etwa fahrlässige Tötung, minder schwerer Totschlag oder Tötung auf Verlangen miteinbezogen.
Nach Veröffentlichung der Statistik wurde teilweise kritisiert, dass die DIW-Studie ein verzerrtes Bild wiedergeben würde. Tatsächlich weist die Polizeichliche Kriminalstatistik (PKS) für das Jahr 2016 zunächst nur "37 vollendete Taten" aus, womit sich ein Wert von 1,0 statt 4,4 ergeben würde. Mit der Zahl der laut Polizeistatistik 167 "Straftaten gegen das Leben" hingegen ergibt sich der mathematisch korrekte Wert von 4,4.
Hohe Aufklärungsquote
Insgesamt kommt die Studie des Instituts, das nach eigenen Angaben von Bund und Ländern Forschungsförderungsmittel in zweistelliger Millionenhöhe erhält, damit zu dem Schluss, dass Berlin im EU-weiten Städtevergleich das Schlusslicht ist, was Mord und Totschlag angeht.
Anmerkung der Redaktion: In der ursprünglichen Version dieses Artikels hatten wir die Zahlen des DIW bzw. der OECD zunächst übernommen und darüber berichtet, da uns beide Organisationen als vertrauenswürdige Quelle gelten. Nach mehreren Hinweisen auf mögliche Ungereimtheiten der verwendeten Datengrundlage und den daraus resultierenden Schlussfolgerungen haben wir den Text entsprechend aktualisiert. Die weiteren bereits erfolgten sowie noch kommenden Rechercheergebnisse werden Sie im weiteren Fortgang ebenfalls an dieser Stelle finden.