Kundgebung in Fasanenstraße: Berlin setzt ein Zeichen und trägt Kippa
„Berlin trägt Kippa“ war das Motto einer Solidaritätskundgebung, zu der die Jüdische Gemeinde angesichts diverser antisemitischer Vorfälle in jüngster Zeit für Mittwochabend aufgerufen hatte. Und Berlin trug Kippa – jedenfalls ein ansehnlicher Teil Berlins. Etwa 2500 Menschen hatten sich vor dem Gemeindehaus in der Fasanenstraße versammelt. Und tatsächlich trugen viele Kappe. In der Menge wurden weiße Exemplare verteilt.
Das wirkte. „Ich habe noch nie so viele Kippa an einem Ort gesehen“, sagte der Gemeinde-Vorsitzende Gideon Joffe in seiner Ansprache. Auch vor dem Kölner Dom, in Potsdam, Erfurt und Magdeburg fanden an diesem Tag Demonstrationen statt.
Auf der Fasanenstraße in Charlottenburg standen die Menschen eng gedrängt. Sie hörten Joffe zu, als er davon sprach, es werde „ungemütlich“ in Berlin, etwa wenn Juden gezwungen würden, ihre Kinder nur noch auf jüdische Schulen zu schicken. Und sie spendeten ihm Applaus, als er sich auch bei allen Muslimen bedankte, die ebenso den Weg zur Kundgebung gefunden hatten.
Der Tenor der weiteren Reden, vorgetragen vom Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD), Kultursenator Klaus Lederer (Linke) und CDU/CSU-Fraktionschef Volker Kauder war klar. Man werde keinen Antisemitismus dulden, 73 Jahre nach dem Ende des Holocaust. Gerade jetzt, wo fast schon ausgelöschtes jüdisches Leben im Land der Täter wieder aufblühe.
„100 Prozent Respekt“
Josef Schuster, Vorsitzender des Zentralrats der Juden in Deutschland, kritisierte, man habe es sich „viel zu lang viel zu gemütlich eingerichtet: Ein bisschen Antisemitismus, ein bisschen Rassismus, ein bisschen Islamfeindlichkeit – das ist doch nicht schlimm. Doch, das ist schlimm“, sagte Schuster und forderte mehrfach „100 Prozent Respekt“. Markus Dröge, Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, sagte: „Antisemitismus ist Gotteslästerung.“
Anlass für „Berlin trägt Kippa“ war ein Vorfall in Prenzlauer Berg am 17. April. Ein 21-jähriger Israeli und sein Freund waren von arabisch sprechenden Männern antisemitisch beschimpft worden. Einer der Männer schlug auf den 21-Jährigen mit einem Gürtel ein. Der mutmaßliche Täter, ein Palästinenser aus Syrien, der seit 2015 in Deutschland lebt, sitzt in Untersuchungshaft.
Der Berliner Imam Kadir Sanci, der dem geplanten Lehr- und Gebetshaus von Muslimen, Christen und Juden „House of One“ angehört, begrüßte die Solidaritätskundgebungen. „Den Kopf zu bedecken ist auch Teil unserer islamischen Tradition“, sagte Sanci. „Wir, das Judentum und der Islam, haben so viel gemeinsam.“
Angriff in Neukölln
Im Laufe des Tages hatte es auch kritische Äußerungen zu der Aktion gegeben. So hatte Armin Langer, ein in Berlin lebender Publizist und Buchautor, auf Spiegel-Online geschrieben: „Lasst die Kippa uns Juden!“ Solidarität sei gut. Aber die Kippa „ist kein neutrales Stück Stoff“. Sie sei nicht das Symbol der deutschen Demokratie, sondern „Ausdruck des eigenen jüdischen Glaubens“. Für solche Differenzierungen war an diesem windig-kühlen Abend vor dem Gemeindezentrum kein Platz. Hier sollte, so wirkte es, kein Blatt Papier zwischen Juden und Nicht-Juden passen.
Das mag auch mit Vorkommnissen wie jenem am späten Mittwochnachmittag zu tun haben. Da war der Versuch des Jüdischen Forums für Demokratie und gegen Antisemitismus (JFDA) auf Proteste gestoßen, auf dem Neuköllner Hermannplatz eine Kundgebung abzuhalten. Mehrere Teilnehmer hatten sich mit Kippa und Israelfahnen versammelt.
„Es gab lautstarke Gegenproteste“, sagte ein Polizeisprecher. Nach JFDA-Angaben wurden die Teilnehmer bespuckt, beschimpft und als „Terroristen“ bezeichnet. Zu ihrer Sicherheit mussten die Organisatoren die Kundgebung nach einer Viertelstunde abbrechen. (mit kop.)