Vor dem Weltuntergang: Soll man die Bäume gießen oder noch mal richtig duschen?

Angesichts des Zustands der Welt würde Luther wohl bald sein Apfelbäumchen pflanzen. Doch wie geht man als echter Berliner mit geballten miesen Nachrichten um?

Saarbrücken machts anders. Hier hilft die freiwillige Feuerwehr beim Bewässern der städtischen Grünflächen.
Saarbrücken machts anders. Hier hilft die freiwillige Feuerwehr beim Bewässern der städtischen Grünflächen.imago/Becker&Bredel

Berlin-„Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge, würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen“, soll Martin Luther einst gesagt haben. Vielleicht hat es ihm auch jemand in den Mund gelegt. Egal. Ganz habe ich es nie verstanden: Was hat denn das arme Apfelbäumchen davon, dass es heute gepflanzt wird und morgen mit untergeht? Jaja, ich weiß: Die Hoffnung stirbt zuletzt.

Das Berliner Pendant zu Luther klingt übrigens so: „Heut schütt’ ick mir noch mal die Birne voll. Ejal, wat morjen is! Prost, Alta!“ Ein paar Stunden später: „Ick bin so besoffen, ick kann jar nich mehr loofen. Wo is mein Auto? Ach da! Also, tschöö denn, ick fahr mal los.“ (Plötzlich ein Geräusch: Krrrrracks!) „Boah, wat is’n ditte? Ha’ ick jar nich jesehn. Da stand doch vorher keen Boom! Wie? Lutha hat den vorhin erst jeflanzt? Na dit is’n Ding. Der kann mir jleich mal die Reparatur bezahln, der Voorel!“

Man kann doch nicht alle Katastrophen in einen einzigen Film schmeißen

Das mit Luthers Bäumchen verstehe ich inzwischen übrigens besser. Ich sitze ja täglich am Computer und lese irgendwas über die Krisen dieser Welt. Ich komm mir vor wie in so einem blöden Hollywood-Endzeit-Thriller, wo man den Drehbuchautor vorher gewarnt hat: „Sie können doch nicht alle Katastrophen in einen einzigen Film schmeißen!“ Er machts trotzdem. Später rennen die Leute reihenweise aus dem Kino, weil der Film unerträglich ist. Und unglaubwürdig.

Man kann geballten Horror nur ertragen, wenn man sich aufs Naheliegende konzentriert. Und so gucke ich beim Arbeiten immer mal kurz aus dem Fenster und sehe: Bäumchen. Nein, keine Apfelbäumchen, aber vier Rotdornbäume, die leider langsam verdorren. Neulich ging ein Mann vom Grünflächenamt vorbei, der irgendwas an den Sträuchern rumfummelte. Ich zeigte auf die Straße und sagte: „Schade, dass die Bäume alle sterben!“ – Er antwortete: „Die Menschen sterm ooch alle!“ Ein Philosoph, der grüne Mann.

Und dann reichte es mir, von einem Moment auf den anderen. Ich wollte keinen Tag länger auf trockene Strünke gucken. Ich lief hinaus, scharrte mit einer Schippe umher, bis um die Stämme Gießkreise entstanden (einst im Schulgarten-Unterricht bei Frau Eckerkunst gelernt!), und lief zwölf Mal mit dem vollen Wassereimer raus, bis die Bäume gegossen waren. Fürs Erste.

Der egoistische Wunsch, nicht auf Baumleichen blicken zu müssen

Bevor hier Missverständnisse entstehen: Ich bin kein Gutmensch! Ich schaffs sowieso nicht, die Welt zu retten, denn ich habe abends noch was vor. Aber ich möchte nicht aus dem Fenster auf Baumleichen gucken. So mein egoistischer Wunsch. Leider bin ich auch kein Gärtner. Meine Stümperei ist mir peinlich. Zugleich hatte ich nicht geahnt, wie viele Leute sich plötzlich dafür interessieren, was man so tut.

„Mach dit nur allet richtich!“, rief eine Nachbarin, die gerade nach Haus kam. Ein Hund hechelte herbei, das Herrchen an der Leine, schnupperte herum und wollte aus der Gießpfütze trinken. Eine Frau blieb stehen und sagte: „Ich gieß drüben bei uns auch die Bäume. Aber ich habe mir Gießsäcke von der Grünen Liga bestellt. Da muss man nicht jeden Tag mit dem Eimer raus.“ Brauchbarer Tipp.

Ich verstehe aber auch die kritischen Blicke, die ich aufschnappte. Sie schienen zu sagen: „Der schüttet unsa schönet Wassa uff de Straße, und wir dürfen bald nich mal mehr duschen!“ Da haben die Leute vollkommen recht. Das sage ich völlig unironisch. Man muss immer abwägen. Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge, würde ich wahrscheinlich auch noch mal richtig duschen.