KZ Mauthausen: Berliner Staatsanwaltschaft klagt Wachmann wegen Beihilfe zum Mord an
Berlin-Neukölln - Gegen einen ehemaligen KZ-Aufseher hat die Berliner Staatsanwaltschaft Anklage erhoben. Dem 95-jährigen Hans-Werner H. wirft sie Beihilfe zum Mord in mehr als 36.000 Fällen vor.
Hans-Werner H., der nach Informationen der Berliner Zeitung in einem 21-geschossigen Hochhaus der Neuköllner Gropiusstadt wohnt, soll zwischen Sommer 1944 und Frühjahr 1945 Angehöriger der 16. Kompanie des SS-Totenkopfsturmbannes im Konzentrationslager Mauthausen gewesen sein.
Laut Staatsanwaltschaft soll er die Häftlinge nachts in der inneren und tagsüber in der äußeren Postenkette bewacht haben. Zudem soll er bei Märschen zu Arbeitskommandos, unter anderem im Steinbruch „Wiener Graben“, eingesetzt gewesen sein.
Vergast, erschossen, verhungert
In der Zeit, in der der SS-Mann in Mauthausen seinen Dienst versah, wurden in dem Lager mindestens 36.223 Menschen getötet. Sie wurden größtenteils vergast, starben aber auch durch Injektionen und bei Erschießungen sowie aufgrund der dramatischen Lebensumstände durch Verhungern und Erfrieren.
Eine besonders perfide Tötungsart waren sogenannte „Totbadeaktionen“. Häftlinge, die krank beziehungsweise zu schwach zum Arbeiten waren, mussten im Winter über eine halbe Stunde lang unter eiskalten Wasserstrahlen stehen. Sie erlitten einen Kreislaufkollaps oder ertranken in dem Wasser, das sich im Betonbecken sammelte. Wer daraus fliehen wollte, wurde zurückgestoßen.
Hans H. sollen sämtliche Tötungsmethoden bekannt gewesen sein wie auch die desaströsen Lebensumstände der Häftlinge. Ihm soll bewusst gewesen sein, dass die Tötungen ständig bei einer hohen Anzahl von Menschen angewandt wurden und dass auf diese Art und Weise sowie mit der geschehenen Regelmäßigkeit nur getötet werden konnte, wenn die Opfer durch Personen wie ihn selbst bewacht wurden, teilte die Staatsanwaltschaft mit.
Mit seinem Wachdienst habe er die vieltausendfach geschehenen Tötungen der Lagerinsassen durch die Haupttäter fördern oder zumindest erleichtern wollen, so der Vorwurf.
Teil der Mordmaschinerie
Dass der 95-Jährige jetzt noch angeklagt wird, hat mit einer geänderten Rechtsprechung zu tun: Danach kann wegen Beihilfe zum Mord verfolgt werden, wer Teil der Mordmaschinerie war, etwa als Angehöriger der Wachmannschaften.
Der erste Fall dieser Art war der von John Demjanjuk. Im Jahr 2011 wurde er in München wegen Beihilfe zum Mord an 20.000 Menschen im Konzentrationslager Sobibor zu fünf Jahren Haft verurteilt. Bevor jedoch über die Revision entschieden wurde, starb er 2012.
Ähnlich lief es mit dem früheren Auschwitz-Wachmann Johann Breyer. Die Staatsanwaltschaft Weiden hatte ihn wegen Beihilfe zum Mord an 200.000 Menschen angeklagt. Einen Tag seiner Auslieferung nach Deutschland starb der 89-Jährige im Jahr 2014 in Philadelphia.
2016 gab dann der Bundesgerichtshof dieser Art der Rechtsprechung statt, indem er das Urteil gegen den früheren SS-Mann Oskar Gröning bestätigte. Danach sind auch solche Fälle als Beihilfe zum Mord verfolgbar, in denen den Beschuldigte zwar nicht persönlich an konkreten Tötungen beteiligt waren. Es reicht bereits, wenn nachgewiesen ist, dass sie - etwa als Angehörige der Wachmannschaften - in den organisierten Tötungsapparat eingebunden waren.