Landesparteitag der Berliner SPD 2018: Müller fordert von Partei mehr Selbstbewusstsein
Angesichts schlechter Umfragewerte und Problemen in der rot-rot-grünen Koalition hat Berlins SPD-Chef Michael Müller seine Partei zu mehr Selbstbewusstsein und einer klaren Haltung aufgefordert. Die Menschen erwarteten von der SPD „Klarheit und Orientierung“, sagte der Regierende Bürgermeister am Samstag auf einem Landesparteitag der Sozialdemokraten in Berlin. „Die Leute erwarten, dass wir Antworten geben und nicht sagen, wie es nicht geht“, so Müller.
„Und ich will auch aus der Berliner SPD nicht immer nur weiter hören, wie irgendwas nicht funktioniert und wo die Probleme sind“, betonte er in einer kämpferischen Rede. Die SPD müsse offensiv ihre Position etwa zur Wohnungspolitik, zur Videoüberwachung oder zum Berliner Neutralitätsgesetz, das religiöse Symbole etwa an Schulen verbietet, vertreten. Manchmal mache sie es sich selbst schwer.
Müller appellierte an seine Partei, die seit längerem im Umfragetief steckt, geschlossener aufzutreten und den Senat mehr zu unterstützen. „Wir sind alle zusammen die SPD. Und auch ihr seid die Regierung. Ihr seid mit in der Verantwortung“, rief Müller den Delegierten zu. Parteiinterne Diskussionen seien wichtig, aber sie müssten geführt werden, „ohne dass hinterher Verletzte übrig bleiben“, sagte er mit Blick auf parteiinterne Kritiker, die sich zuletzt mit Briefen oder einer Online-Plattform öffentlich zu Wort gemeldet hatten.
Kein Gegenkandidat für Müller
Am Nachmittag wurde Michael Müller mit einem eher durchwachsenen Ergebnis von rund 65 Prozent im Amt bestätigt. Gegenkandidaten gab es keine. 2016 hatte die Zustimmung noch bei 81,7 Prozent gelegen.
Mit Blick auf den Wahlgang ging Müller zuvor auf interne Debatten ein, er müsse einen Denkzettel erhalten. „Ich frage euch, ist das wirklich das, was wir jetzt am dringendsten brauchen?“, fragte er. „Ich bin gerne Euer Vorsitzender, aber ich muss es nicht sein. Wenn ihr glaubt, dass ich das Problem bin, dann sagt es jetzt“, so Müller.
Er äußerte sich auch zur Arbeit in der seit 2016 regierenden Koalition: „Ich finde, wir haben eine sehr vertrauensvolle, gute, tragfähige Koalition, die wichtige Dinge für die Stadt und auch weit darüber hinaus durch Bundesratsinitiativen angestoßen hat“, sagte er. „Ich fühle mich pudelwohl.“ Berlin zeige, das es auch jenseits von der CDU Mehrheiten für Koalitionen gibt. Aber es gebe auch Unterschiede, schließlich sei R2G nicht eine Partei.
„Das Wohnungsthema ist ein existenzielles Thema“
Müller unterstrich, dass ihm die Wohnungs- und Mietenpolitik besonders am Herzen liege. „Das Wohnungsthema ist kein soziales Thema, es ist ein existenzielles Thema.“ Die Menschen in Berlin brauchten bezahlbare Wohnungen. „Es ist unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass Menschen in dieser Stadt gut wohnen können. (...) Es ist eine Aufgabe von R2G, in einer gemeinsamen Anstrengung auch Wohnungen zu bauen.“ Die rot-rot-grüne Koalition hinkt beim Neubau ihren Zielen hinterher, weshalb es aus der SPD mehrfach harsche Kritik an der zuständigen Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) gab.
Mit Blick auf die große Koalition auf Bundesebene äußerte Müller die Befürchtung, dass die SPD wieder gute Arbeit leiste, „aber es keiner merkt“. „Ich mache mir Sorgen, dass es genauso läuft wie in der letzten Legislaturperiode“, sagte er. Die Sozialdemokraten müssten dafür stehen, dass es Investitionen in Bildung, Digitalisierung und eine verlässliche Infrastruktur in den kommenden zehn Jahren gebe. Die schwarze Null dürfe ein Fetisch sein.
Juso-Chef Kühnert: Rot-Rot-Grün nicht an die Wand fahren
Juso-Bundesvorsitzende Kevin Kühnert appellierte unterdessen an die SPD , sich engagiert für einen Erfolg der rot-rot-grünen Koalition in Berlin einzusetzen. „Fährt das Projekt R2G an die Wand, haben wir in einer Stadt, wo es Zweier-Regierungen nicht mehr gibt, eine Situation, in der regiert Kenia oder Jamaika, und dann gute Nacht Marie“, sagte Kühnert.
Kühnert, der selbst dem Berliner Landesverband angehört, kritisierte manche innerparteilichen Debatten. „Wenn wir anfangen, den eigene Genossinnen und Genossen das Übelste zu unterstellen, dann haben wir ein Problem.“
Kühnert forderte vom neuen SPD-Landesvorstand mehr politische Impulse und Raum für Debatten. Außerdem rief er die SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus auf, ihre „Soap Opera“ zu beenden. „Dieses Problem belastet euch und belastet uns. Meine Bitte: Klärt das Problem oder entscheidet das Problem.“ So gehe es nicht weiter. (dpa/BLZ)