Landesparteitag: FDP-Fraktionschef Czaja will „Kleingeist aus Rathaus“ verdrängen
Berlins FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja hat den rot-rot-grünen Senat scharf attackiert und den Anspruch seiner Partei unterstrichen, nach der nächsten Abgeordnetenhauswahl 2021 mitzuregieren. „Hören wir endlich auf, staatliches Versagen als „typisch Berlin“ hinzunehmen“, sagte Czaja am Samstag auf einem FDP-Landesparteitag. Berlin müsse wieder zu einer respektierten Weltmetropole werden, die stolz auf sich selbst sein könne. Die FDP habe die Rezepte dafür.
Ziel für die Partei müsse 2021 sein, den „Kleingeist“ aus dem Rathaus zu verdrängen. „Und das wird nur mit uns funktionieren“, betonte Czaja. Ab sofort müsse die FDP daran arbeiten. „Fangen wir an, dass wir wieder Regierungsverantwortung in dieser Stadt haben.“
Czaja sprach von „Ernüchterung und Ärger über einen Senat, der weder den Aufbruch wagt noch die Bürgerinnen und Bürger versteht noch am Ende des Tages den Willen der Bürgerinnen und Bürger durchsetzen möchte“. Mit dieser Politik müsse Schluss sein.
Scharfe Kritik am Mobilitätsgesetz
Die Stadt brauche mehr Wohnungsbau, eine funktionierende Verwaltung, mehr Digitalisierung und mehr „reale“ Sicherheit, und zwar nicht durch mehr Videoüberwachung, sondern durch mehr Polizisten und mehr Justizbeamte. Dringend nötig seien auch schnellere Schulsanierung mit Hilfe einer „Turbo-Schulbau-Gesellschaft“ und zukunftsfähige Lehrpläne.
Scharfe Kritik übte Czaja am Mobilitätsgesetz, mit dessen Hilfe SPD, Linke und Grüne die Verkehrswende weg vom Auto realisieren und den Radverkehr sowie den öffentlichen Personennahverkehr stärken wollen. Es liege ein Gesetz auf dem Tisch, „dass jeden einzelnen per Senatsdekret aufs Fahrrad befördern will“, sagte er. Die FDP werde das Gesetz wieder abschaffen, „wenn wir ab 2021 mitregieren“.
Engere Zusammenarbeit mit Brandenburg
In einem vom Parteitag verabschiedeten Antrag forderten die Liberalen eine engere Zusammenarbeit von Berlin und Brandenburg. Man müsse die Metropolregion „als Ganzes“ denken, heißt es dort. Bei Wohnungsbau, Verkehr, der Wirtschafts-, Energie- oder Umweltpolitik seien neue Impulse für gemeinsame Konzepte nötig. Konkret will sich die Berliner FDP auf allen Ebenen enger mit den Liberalen in Brandenburg verzahnen, um gemeinsame Initiativen zu entwickeln und voranzubringen.
Der Parteitag lehnte mit breiter Mehrheit Fahrverbote für Dieselfahrzeuge ab, die wegen der hohen Stickoxidbelastung auch in Berlin drohen. „Ein solcher Schritt lähmt den Verkehr in der Stadt, bedeutet eine Enteignung der Fahrzeugbesitzer und verursacht eine hohe Belastung für die Wirtschaft, die auf Transportfahrzeuge angewiesen ist“, heißt es in einem Beschluss.
Forderung, Regelungen zu Organspenden zu ändern
Nach kontroverser Debatte beschlossen die Delegierten zudem die Forderung, Regelungen zu Organspenden zu ändern. Nach dem Willen der FDP sollen künftig alle Verstorbenen als Spender zur Verfügung stehen, wenn sie dem als Volljährige zu Lebzeiten nicht ausdrücklich widersprochen haben. So ist das in vielen europäischen Staaten üblich. In Deutschland hingegen werden Toten nur dann Spenderorgane entnommen, wenn sie dem zu Lebzeiten zugestimmt haben, etwa in einem Organspenderausweis. Folge: Nur wenige spenden lebenswichtige Organe.
Am Freitagabend hatte die Hauptstadt-FDP den Bundestagsabgeordneten Christoph Meyer (42) zu ihrem neuen Vorsitzenden gewählt. Die bisherige Parteichefin Sibylle Meister (54) war nicht noch einmal angetreten. Czaja (34) wurde als Generalsekretär im Amt bestätigt. (dpa)