Landtagswahl: Schuld ist Berlin
Potsdam - Immerhin kann man mit dem ewig unvollendeten Großflughafen BER noch Wahlkampf machen vor der brandenburgischen Landtagswahl am 14. September. Die FDP macht es vor – wohl vom Mut der Verzweiflung getragen angesichts kaum messbarer Umfragewerte. In ihrem Wahlwerbespot stehen die Spitzenkandidaten Andreas Büttner und Gregor Beyer auf dem Vorplatz des Terminals. Sie lachen, und sie hören nicht mehr auf damit.
Zumindest dafür taugt das größte Infrastrukturprojekt also: Spott über die Landesregierung. Darüber hinaus wird es schwierig. In ihrem Wahlprogramm erspart sich die FDP jegliche Aussage zum Flughafen. Auch die anderen Parteien halten sich bedeckt. „Wir setzen uns für die schnellstmögliche Fertigstellung ein“, gelobt die SPD. „Der BER bildet ein markantes Beispiel, welch hohe Anforderungen an ein erfolgreiches Management gemeinsamer Großprojekte gestellt sind“, philosophiert die Linkspartei.
Viel versprochen
Das multipel gescheiterte Großprojekt stellt die Landespolitiker vor mehrere Dilemmata. Das eine umreißt ein Oppositionspolitiker so: „In den Anrainergemeinden wollen die Leute Schallschutz um jeden Preis und eine möglichst späte Eröffnung. Alle anderen wollen, dass der Flughafen so schnell wie möglich ans Netz geht und dass er nicht noch teurer wird.“ Alle zusammen, ob in der Einflugschneise oder weit davon entfernt, fordern klare Zusagen. Und alle zusammen werden diesen Zusagen keinen Glauben schenken, nachdem frühere Zusagen zur Fertigstellung und zum Kostenrahmen so spektakulär gebrochen wurden.
Der Unmut der Wähler wird noch verstärkt dadurch, dass der Landtag im vorigen Jahr ein Versprechen abgegeben hat, dass er nicht halten konnte: Die Abgeordneten nahmen das Volksbegehren für eine Verlängerung des Nachtflugverbots am neuen Flughafen auf die Zeit von 22 bis 6 Uhr an. Nach derzeitigem Stand soll der Verkehr lediglich von 0 bis 5 Uhr vollständig ruhen.
Bis auf einen stimmten alle Abgeordneten der rot-roten Koalition und die Grünen für die Annahme. Der damalige Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) versprach wenige Monate vor seinem Rücktritt, die Forderung gegenüber den anderen Flughafengesellschaftern, dem Land Berlin und dem Bund zu vertreten. „Ich werde mich bemühen, dass am Ende der Verhandlungen mehr Nachtruhe steht“, sagte er. Noch kurz zuvor hatte die SPD dem Volksbegehren die Unterstützung verweigert – wohlwissend, dass das Anliegen kaum durchzusetzen sein würde.
Und so kam es dann auch. Im Aufsichtsrat wie in der Gesellschafterversammlung setzten die Brandenburger das Thema auf die Tagesordnung. Ergebnis: keines. Er sei zutiefst enttäuscht, sagte Platzecks Nachfolger Dietmar Woidke (SPD) nach dem endgültigen Nein der Berliner im Mai.
Zumindest hat die Koalition seither einen Blitzableiter in der Nachtflug-Frage: die Politiker in der Hauptstadt. „Ich habe nicht geahnt, dass die Berliner so stur behaupten würden, ein Kompromiss sei wirtschaftlich nicht vertretbar“, beteuert Christian Görke, Brandenburgs Finanzminister und Spitzenkandidat der Linken. Man sehe sich immer zweimal im Leben, sagt er.
Zum Auftakt des Wahlkampfs plakatierte seine Partei den Slogan: „Das ist nicht Berlin. Das ist Brandenburg“. Auf dem Plakat ist ein stiller See zu sehen, darüber ein blau-roter Abendhimmel, weit und breit kein Flugzeug.
Drohpotenzial nicht genutzt
Nach Meinung von Axel Vogel, dem Fraktionsvorsitzenden und Spitzenkandidaten der Grünen, hat die Landesregierung ihr Drohpotenzial nicht ausgenutzt. Der Ministerpräsident hätte die Lärmschutzfrage mit der Übernahme von Mehrkosten verknüpfen sollen und auch mit der Zukunft der gemeinsamen Landesplanung, meint er. Er sieht die Gefahr, dass die Querelen um den BER zu einem Rückgang der Wahlbeteiligung führen. „Der Protest kann ja auch in Verweigerung bestehen.“ Ständig erlebe er auf Veranstaltungen, dass das Flughafenprojekt mit anderen Themen in Verbindung gebracht werde. „Da heißt es dann: Für den BER ist Geld da, für uns nicht.“
Im Grundsatz sind aber auch die Grünen für den Weiterbau und die Fertigstellung. Nur eine Partei, die Chancen auf den Einzug in den Landtag hat, erhebt eine andere Forderung: die Alternative für Deutschland (AfD). Sie will den BER als „Übergangsflughafen“ in Betrieb nehmen. Sodann sollen die Planungen für einen neuen Standort in Jüterbog oder Sperenberg beginnen. Zu errichten ist der neue Flughafen von privaten Investoren, die auch den dann überflüssigen BER abwickeln und umnutzen sollen.
Sollte sich dieses Konzept – das auch die Freien Wähler verfolgen – durchsetzen, dürfte das Flughafenthema der Landespolitik bis über die Mitte des Jahrhunderts hinaus erhalten bleiben.