Leber-Gedenkstätte: Kunst oder Original?

Berlin - Wo einst kleine Kfz-Betriebe die Anwohner mit Lärm und regem Kundenbetrieb nervten, sind die Bagger tätig. In der Torgauer Straße, nicht weit entfernt vom historischen Gasometer, soll eine Grünanlage für die dicht besiedelte Schöneberger Insel entstehen. Etwa zwei Millionen Euro fließen dafür aus dem Programm Stadtumbau West. Doch die Fertigstellung könnte laut Baustadtrat Daniel Krüger (CDU) länger dauern als geplant. Schuld daran ist eine Auseinandersetzung um ein kleines Haus an der Ecke Torgauer/Gotenstraße.

Ort des NS-Widerstandes

Dort hatten der durch die Nazis hingerichtete SPD-Politiker Julius Leber (1891–1945) und seine Frau Annedore (1904–1968), später Verlegerin politischer und pädagogischer Literatur, während der NS-Zeit eine Kohlenhandlung. Sie nutzten das eingeschossige Steinhäuschen aber auch als Treffpunkt des Widerstandes gegen das nationalsozialistische Regime.

Mit dem Parkbau sollte das eit langem leerstehende Haus abgerissen werden. Aber inzwischen hat das Bezirksparlament mehrheitlich beschlossen, dass es erhalten bleiben soll. Ein im März vom Bezirksamt ausgeschriebener Wettbewerb für ein 20.000 Euro teures Kunstwerk an dieser Stelle hätte sich damit erledigt.

Von einer Jury war die Berliner Künstlerin Katharina Karrenberg zur Siegerin des Wettbewerbs gekürt worden. Sie schlägt vor, die Mauern des Gebäudes auf 30 Zentimeter Höhe abzutragen, es soll ein Podest geben, auf dem Leute sitzen können. Eine stilisierte Steckdosenleiste soll den Knotenpunkt Kohlenhandlung zwischen Gasometer und Elektrizitätswerk während des Krieges symbolisieren, eine Betonplatte mit der Sütterlin-Inschrift „Windfang“ an die schriftstellerische Tätigkeit Annedore Lebers erinnern. Eine Erklärungstafel soll es erst auf der Torgauer Straße geben.

Doch Anwohner lehnen das ab, sie wollen dass das historische Haus in Gänze bleibt. Auch die Enkelin von Julius und Annedore Leber hat sich mit dieser Bitte an die Fraktionen gewandt. Auf Antrag von SPD und Grüne beschloss deshalb das Bezirksparlament, die ehemalige Kohlenhandlung „zu sichern und die Bausubstanz zu erhalten“. Jetzt soll die Senatskanzlei gebeten werden, ein Konzept für einen Gedenkort zu entwickeln.

Der Haken: Noch gibt es keine Finanzierung dafür. Die 20.000 Euro für das Kunstwerk sind zweckgebunden und können nicht für den Ausbau des Hauses genutzt werden. Deshalb sollen Anträge auf Lottomittel gestellt werden, auch auf Landes- und Bundesgeld wird gehofft. Stadtrat Krüger wird den Beschluss umsetzen, obwohl er ihm nicht passt. „Die Umplanung des Parks wird etwa 90.000 Euro kosten“, sagt er. Zudem werde es länger dauern bis er fertig ist: „Wir müssen erst um das Gelände herumbauen bis klar wird, was geschehen soll.“

Fünf Monate Arbeit umsonst

Enttäuscht ist Katharina Karrenberg, die fünf Monate an dem Entwurf gearbeitet hat. Sie sagt, dass hinterrücks die Ausschreibungsbedingungen für den Wettbewerb verworfen wurden. „Es kann nicht sein, dass erst nachdem wir alle gearbeitet haben jemandem ein Licht aufgeht. Und dann sagt der: Wir machen was anderes.“ Elfriede Müller vom Berufsverband Bildender Künstler (BBK) schlägt vor, zunächst den Karrenberg-Entwurf zu realisieren: „Dann kann man einen Lottoantrag stellen, um weitere Möglichkeiten für die Ausgestaltung des Gedenkortes zu finden.“