Berlin - Einen Moment noch erbittet Klaus Brunswicker nach der Begrüßung, er müsse erst eine E-Mail absenden. Er macht nicht den Eindruck, als würde er demnächst in den Ruhestand gehen. Doch die Nachfolge auf dem Direktorenposten der Sophie-Scholl-Sekundarschule ist beschlossen. Brunswicker tritt an das Stehpult hinter seinem Schreibtisch. Ein wenig bekanntes Porträt der Namensgeberin der Schule hängt gleich daneben. Er tippt in den Laptop, drückt die letzte Taste mit Schwung. Der Brief eines Anwalts verlangte eine schnelle Antwort, sagt er beim Hinsetzen, die Beschwerde gegen eine Ablehnung.
Herr Brunswicker, sie leiten die begehrteste weiterführende Schule Berlins. Jedes Jahr müssen Sie über 100, oft 200 Schüler ablehnen. Ist es üblich, dass Eltern dagegen klagen?
Nicht unbedingt üblich, aber es gibt jedes Jahr 40 bis 50 Widersprüche. Auch dieses Mal haben sich einige Eltern schließlich einen Rechtsanwalt genommen. Das sind fast immer Schüler mit einer Empfehlung fürs Gymnasium. Deren Eltern fürchten das Turboabitur, das Abitur nach 12 Schuljahren. Deshalb wollen sie zu uns.
Was halten Sie vom Turboabitur?
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Ich finde es richtig, wenn den Schülern beide Geschwindigkeiten angeboten werden. Das Turboabitur ist zu schaffen, denn in der 11. Jahrgangsstufe gibt es durchaus Leerlauf. Unsere Schüler legen, wie an anderen Sekundarschulen auch, aber meist das Abitur nach 13 Jahren ab. Da bleibt Zeit für das Schulorchester, für unsere Musicalproduktionen, manche nutzen das Jahr für einen Auslandsaufenthalt. Die Oberstufenschüler am Gymnasium haben für so etwas ja kaum noch Zeit, weil sie zum Abitur gejagt werden müssen.
Ist Ihre Schule deshalb so beliebt?
Nein, das liegt sicher auch an ihrer Geschichte. Sie ist vor gut 35 Jahren aus der Fusion dreier Schulen hervorgegangen. Der Kern war damals das Sophie-Scholl-Gymnasium, die Schule ist also nicht am Reißbrett entwickelt worden. Über mehrere Jahrzehnte waren wir die einzige Gesamtschule mit gymnasialer Oberstufe in Schöneberg. Und wir haben uns immer aufgeschlossen gegenüber neuen Entwicklungen gezeigt: Schon vor 30 Jahren haben wir begonnen, Kinder mit Behinderung aufzunehmen.
Im Inspektionsbericht über Ihre Schule werden ausdrücklich Sie gelobt. Welche Rolle spielt ein guter Schuldirektor?
Für die Außendarstellung ist ein Schulleiter sicher wichtig, auch um das Kollegium bei Veränderungen mitzunehmen. Aber eine Schule ist erst dann gut, wenn Kollegium und Schulleitung sich einig sind, was gute Arbeit ist.
Was bedeutet das konkret?
Vor allem sind wir uns in einem Punkt einig: Unsere Schüler sind unsere Schüler. Mit ihnen und für sie wollen wir etwas erreichen. Wir haben hier immer ein breites Spektrum von hochbegabten Gymnasialschülern bis hin zu Kinder mit Lernbehinderung. Die Verschiedenartigkeit empfinden wir nicht als Belastung, sondern als Bedingung, unsere Aufgaben zu erfüllen. Keiner meiner Kollegen würde sagen, dass er ein bestimmter Schüler hier nicht hin gehört. Jedenfalls basteln wir uns keinen Wunschschüler, den wir der Realität entgegenstellen.
Stimmt es, dass bei Ihnen mehr Schüler das Abitur ablegen, als in den 6. Klassen für die gymnasiale Oberstufe empfohlen werden?
Ja, das erleben wir jedes Jahr. Wir hatten jetzt gerade Abiturfeier. Von diesen 120 Abiturienten waren mehr als 30 mit einer Realschulempfehlung an unsere Schule gekommen, zwei sogar mit einer Hauptschulempfehlung, wobei einer der erst für eine Realschule empfohlenen Schüler nun einen Durchschnitt von 1,2 erzielt hat. Hier wird in der Regel nicht nach unten gezogen, sondern nach oben.
Wie ist das möglich – gerade angesichts der Schülermischung?
Wir bieten ja verschiedene Profile an. Das heißt, wer in Kunst, Musik, Sprachen Naturwissenschaften oder im handwerklich-technischen Bereich seinen Schwerpunkt hat, der kann sich eine Schwäche in anderen Bereichen erlauben. Aber jeder ist mit Schülern gleichen Interesses zusammen. Das stabilisiert ungemein, bedeutet auch in anderen Fächern eine Herausforderung. Wichtig scheint, dass innerhalb einer Lerngruppe mehrheitlich leistungsstärkere Schüler sind.