Lieberoser Heide in Brandenburg: Munition ausgraben, um Waldbrände besser zu bekämpfen

Peitz - Das, was diese Männer da auf der weiten Fläche eines gerodeten Waldstücks in der Lieberoser Heide machen, erinnert tatsächlich an die Mühen von Sisyphos. Eine nimmer endenwollende Arbeit. Das jedenfalls ist einer der Gedanken, die wohl allen Beobachtern kommen, wenn sie die Männer der Firma Munitionsbergung Röhll aus Brandenburg Havel sehen. Die arbeiten mit ihren Gerätschaften ganz akribisch in der Nähe von Peitz (Spree-Neiße).

Mit einer Tiefensonde, die nicht größer ist als ein Staubsaugerrohr, scannt ein Kollege den Boden der kilometerlangen Waldschneise. Sobald das Suchinstrument, das auf Metall reagiert, Signale aussendet, wird ein rotes Fähnchen in den Sand gesetzt. Es flattern schon sehr viele davon im Wind.

Genau dort setzt ein zweiter Mann vorsichtig seine Schippe an. Erweist sich ein Fund als besonders groß oder tief gelegen, zieht er weiter und lässt die Fahne stehen. Es ist ein Hinweis darauf, dass dort später ein weiterer Mitarbeiter mit schwerem Gerät, einem Bagger, ran muss.

Restmunition in Boden: Löschangriffe der Feuerwehr sind eingeschränkt

„Du weißt nicht, ob die Sonde einen rostigen Nagel oder eben doch den Rest einer 125er-Granate anzeigt“, sagt Feuerwerker Steffen Pipenburg, der die Arbeiten seiner Leute vor Ort koordiniert. „Deshalb buddeln wir jeden Fund an, da kommst du an manchen Stellen aus dem Graben gar nicht mehr raus.“

Der 32-Jährige ist als Räumstellenleiter für die ordnungsgemäßen und sicheren Abläufe der Munitionsbergung auf einem knapp sechs Hektar großen Abschnitt am östlichen Rand des riesigen Waldgebietes zwischen Lieberose und Peitz verantwortlich. Seit April holen er und seine Männer dort im Auftrag des Landesbetriebes Forst Brandenburg, dem heute rund drei Viertel der mehr als 20.000 Hektar umfassenden Heide gehören, jegliches vermeintliche Gefahrengut aus dem Boden.

Rund um das Waldgebiet wurde ein etwa 50 Meter breiter, entmunitionierter Brandschutzstreifen gelegt. Er soll zum einen künftig im Falle eines Brandes ein Übergreifen der Flammen auf siedlungsnahes Gebiet verhindern. Zum anderen sollen Feuerwehr und Einsatzkräfte ihn auch betreten und somit ihre Löschangriffe besser fahren können.

Das ist bislang an vielen Stellen aufgrund der explosiven Vergangenheit der Lieberoser Heide als sowjetischer Truppenübungsplatz und der daraus resultierenden Belastung des Bodens mit Restmunition nicht möglich. Insbesondere bei den Bränden der vergangenen zwei, drei Jahre erwies sich die eingeschränkte Einsatzmöglichkeit der Feuerwehr als verheerend. Deswegen hat das Land Geld bereitgestellt, um die Arbeiten an dem Brandschutzgürtel zu intensivieren.

An diesem Tag bergen die Spezialisten um Pipenburg vor allem Patronen, Gewehrläufe sowie Granatreste. Es gab in der Vergangenheit aber auch schon Bombenfunde, die vom Brandenburger Kampfmittelbeseitigungsdienst direkt auf der Fläche gesprengt wurden.

Der Spezialdienst der Polizei ist für die professionelle Entsorgung der Alt-Munition zuständig, die täglich abgeholt wird.

Erst Munition beseitigen, dann nachhaltigen Waldbau

Am Wegesrand des neuen Schutzriegels türmt sich auch ein großer Schrottberg, der sich im Laufe der Bergungsarbeiten angehäuft hat: Vom schweren Eisenträger bis zur Panzerkette, vom Kochgeschirr bis zum zerbeulten Tankbehälter ist alles dabei.

Wenn niemand etwas dagegen hat, wird Oberforstrat Claus-Rüdiger Seliger den einen oder anderen Fund wieder in seinem Büro in Peitz ausstellen. Ein paar Stücke stehen dort schon. „Damit die Leute, die zu uns kommen, eine Ahnung davon erhalten, mit welchem Erbe wir es hier zu tun haben“, sagt der Leiter der Landeswaldoberförsterei Peitz. Sie ist für die Waldbewirtschaftung auf einem Großteil der Fläche zuständig.

Claus-Rüdiger Seliger hat gleich mehrere Karten zur Hand, die das Gebiet in grüne, gelbe, blaue oder rote Zonen unterteilen. Sie sind das Ergebnis von Erkundungs-Gutachten und zeigen an, wo mit oder ohne Einschränkungen Forstwirtschaft betrieben werden kann bzw. der Wald nicht betreten werden sollte. „Wir sind sehr gut im Bilde, wie unterschiedlich stark die Flächen im einzelnen belastet sind“, sagt der Forstingenieur, „rot heißt zum Beispiel – da dürfen wir gar nicht ran, bevor nicht entmunitioniert ist.“

Es heißt auch, da geht die Feuerwehr nicht rein, zu gefährlich für die Kameraden. Immerhin sind die Verbotszonen in den Bereichen, die dem Landesbetrieb gehören, in den letzten Jahren erheblich kleiner geworden.

„Je nachdem, wie es die Finanzen hergeben, lassen wir schon lange Zeit jährlich zwischen 40 und 50 Hektar von den zertifizierten Munitionsbergungsbetrieben freiräumen“, sagt Claus-Rüdiger Seliger. Das Geld dafür wird von der Oberförsterei selbst erwirtschaftet.

Trotzdem müssen noch mehrere Hundert Hektar von den Spezialunternehmen wie der Firma Röhll ungefährlich gemacht werden. Erst dann können sie für den nachhaltigen Waldbau zur Verfügung stehen und werden nicht so leicht ein Opfer der Flammen. „Im nächsten Jahr wollen wir weitere 80 Hektar schaffen, das wäre ein richtig großer Schritt“, sagt Claus-Rüdiger Seliger. Es klingt so, als könnte Sisyphos doch noch den Stein auf die Spitze des Berges hieven.