Pool-Party von Lieferando in Berlin: Fahrrad-Kuriere protestieren vor der Tür

Der Liefer-Riese schmeißt eine Party, um den Team-Geist zu stärken. Doch ein Teil der Belegschaft ist explizit ausgeladen. Jetzt wehren sie sich.

Ein Mitarbeiter mit orangener Kleidung vom Lieferservice Lieferando fährt in der Dämmerung eine Straße in Berlin entlang.
Ein Mitarbeiter mit orangener Kleidung vom Lieferservice Lieferando fährt in der Dämmerung eine Straße in Berlin entlang.www.imago-images.de

Mit einer Pool-Party will der Essens-Lieferdienst Lieferando den Teamgeist seiner Mitarbeitenden stärken. Doch die Kuriere sind dazu nicht eingeladen. Die orange gekleideten Fahrradfahrerinnen und -fahrer, die bei dem Lieferdienst angestellt sind, um in deutschen Metropolen Essen von Restaurants zu Leuten nach Hause bringen, sind explizit von der Einladung ausgenommen.

Am kommenden Freitag soll die Party steigen, im Haubentaucher auf dem RAW-Gelände in Friedrichshain. „Was sind die wichtigsten Zutaten für eine richtige Day Club Party? Richtig! Food, Drinks und ein exklusiver Pool, nur für Euch“, heißt es in der Einladung. Das Lieferando Workers Collective (LWC), ein Zusammenschluss aus Kurieren – auch „Rider“ genannt –, hat das Schreiben auf Twitter veröffentlicht. In gefetteten Buchstaben steht unter dem Einladungstext: „Zur Veranstaltung sind ausschließlich Mitarbeiter von Lieferando (aus Deutschland & Österreich, ausgenommen sind Fahrer und Zeitarbeiter) eingeladen.“

Das Unternehmen hinter Lieferando heißt Just Eat Takeaway. Es operiert seit 2009 in Deutschland und hat zwei Tochterkonzerne, die Takeaway Express GmbH, die für die Kuriere zuständig ist, und die yd. yourdelivery GmbH, in der Kundenservice und Büro-Angestellte tätig sind. Auf Anfrage der Berliner Zeitung bestätigte eine Sprecherin, dass das „After-Work-Event“ für Mitarbeitende der yourdelivery sowie die „Kolleg:innen, die in denselben Bürogebäuden arbeiten“, aber zur Schwestergesellschaft Takeaway Express gehören, veranstaltet wird.

Vielen von uns fällt gerade die Hälfte des Lohnes weg.

Lieferando-Fahrerin

Für die Fahrradflotte, die nach Angaben des Unternehmens bundesweit aus mehreren Tausend Kurieren besteht, organisiere Takeaway Express seit diesem Jahr eigene Team-Events, wie Stammtische, Grillabende oder „Veranstaltungen zu spezifischen Anlässen“.

„Mich hat das extrem wütend gemacht“, sagt eine Berliner Fahrerin, die ihren Namen nicht veröffentlicht sehen möchte. Sie sei über Twitter auf die ausladende Einladung gestoßen. „Das Ding ist, dass wir bei 36 Grad durch die Stadt fahren und arbeiten, und jetzt gibt es eine Pool-Party für Office-Mitarbeiter:innen, die eh in klimatisierten Räumen sitzen.“

Bereits im Februar hatte es Aufregung unter den Angestellten gegeben. Für 15 Millionen Euro habe das Unternehmen laut dem Nachrichtenportal Business Insider 5400 Büro-Mitarbeitenden einen Ausflug in ein Schweizer Ski-Gebiet finanziert. Auch dabei waren Fahrerinnen und Fahrer ausgeschlossen.

Die Berliner Fahrerin beklagt die Unverhältnismäßigkeit der Ausgaben. Bei ihr selbst sind die Stunden wie viele Kolleginnen und Kollegen in Berlin aktuell gekürzt worden. Die Lieferbranche kriselt derzeit, weil wegen der hohen Inflation weniger Essen bestellt wird. „Vielen von uns fällt gerade die Hälfte des Lohnes weg“, sagt die Fahrerin. Dass unterdessen für Büro-Angestellte teure Partys ausgerichtet werden, empfindet sie als unfair.

Zu den Stammtischen, die das Unternehmen an die Kuriere richtet, sagt die Fahrerin: Es gibt eine Einladung, dann können sich bis zu 20 Personen anmelden. Vor Ort bekommt jede Person ein Getränk umsonst. Eine Führungskraft sei dann vor Ort, die den Kurieren von vorgedruckten Kärtchen Fragen stelle, in etwa: „Was macht euch am meisten Spaß an eurem Job?“ Außerdem würden dort den Fahrern Verträge angeboten, um als Foto-Modelle für Werbekampagnen zu arbeiten. Von Grillabenden und anderen Veranstaltungen habe sie außerdem noch nie etwas gehört, sagt die Fahrerin.

Da traut sich keiner, was Ehrliches zu schreiben.

Eine Lieferando-Fahrerin über die Feedback-Fragen

Solche Feedback-Fragen stelle die Takeaway Express GmbH außerdem in E-Mails. Wer die Frage beantwortet, kommt in einen Lostopf, zu gewinnen sind Tickets für ein Uefa-Cup-Spiel. Entsprechende E-Mails liegen der Berliner Zeitung vor. „Da traut sich keiner, was Ehrliches zu schreiben“, sagt die Fahrerin, die Antworten seien schließlich auf die Person zurückzuführen. „Eine Verlosung interessiert die meisten Leute aber auch nicht.“ Sie wollen vielmehr für die Arbeit wertgeschätzt werden. Das heißt, wie bei so vielen Lieferdiensten in dieser Stadt: bessere Arbeitsbedingungen, bessere Bezahlung, sichere Arbeitsmittel.

„Wir wollen, dass sie sehen, wir sind echte Leute, und nicht nur Zahlen auf den Bildschirmen“, sagt die Fahrerin. Vor den Toren des Clubs Haubentaucher organisiert das Lieferando Workers Collective am Freitag eine Protestkundgebung. Um 17 Uhr, zur Stunde der Pool-Party.

Korrektur: In einer früheren Version des Textes hieß es, dass die Fahrerinnen und Fahrer teilweise in Zeitarbeitsfirmen beschäftigt sind. Die Formulierung, dass auch Zeitarbeiter in der Einladung zum Firmenevent ausgenommen sind, bezieht sich aber nicht auf die Kuriere.