Lindenkuppel der Staatsbibliothek: Die letzte Wunde wird geschlossen

Berlin - Bauleute müssen trinkfest sein, jedenfalls dann, wenn ein Richtfest ansteht. Am Mittwoch ist es an Uwe Scheibal, dies unter Beweis zu stellen, in Schale geworfen mit weißem Hemd, schwarzer Weste und Zimmermannshose, hoch oben über den Dächern Berlins. Er ist Polier auf der Baustelle der Staatsbibliothek Unter den Linden und hat die Aufgabe, den Richtspruch zu halten. Für die Lindenkuppel über dem Eingangsportal der Staatsbibliothek, dem Gewölbe, das einstmals die Silhouette des wilhelminischen Baus prägte. Immer wieder erhebt Scheibal sein Glas während er dem Bauprojekt Glück wünscht. So groß wie die Baustelle, so lang ist sein Richtspruch. Am Ende hat er fast eine Flasche Wein geleert.

Immerhin geht es um nicht weniger als den Start des zweiten großen Bauabschnitts bei der Grundinstandsetzung der Stabi. Wenn die Sanierung des 170 Meter langen Gebäudes voraussichtlich 2016 fertig ist, wird ein Vierteljahrhundert seit Beginn der ersten Sicherungsarbeiten vergangen sein. Im März wurden bereits zwei neue Lesesäle eröffnet. 406 Millionen Euro lässt sich der Bund das Projekt kosten.

Kuppeltanz vom Dom bis zum künftigen Schloss

Die Lindenkuppel im 13. Stock bildete ursprünglich die Krone über dem Hauptportal des Gebäudes. Hofarchitekt Ernst von Ihne hatte besonderen Wert auf sie gelegt. Vor genau hundert Jahren errichtet, wurde sie im Krieg 1941 durch einen Bombentreffer zerstört und danach nicht wieder aufgebaut. Nun wird die letzte große Kriegswunde der Stabi geschlossen. 35 Meter ist die neue Kuppel hoch, architektonisch der alten nachempfunden. Derzeit ist nur die Tragstruktur zu sehen – Holz- und Stahlbalken, die sich unter dem Himmel wölben. Später erhält die Kuppel eine Schieferbedachung.

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„Es fügt sich eine weitere Kuppel in diesen Kuppeltanz vom Dom bis zum künftigen Schloss“, sagt Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, zu dem die Stabi gehört. Ernst von Ihne hatte die Lindenkuppel als Entree zur zentralen Erschließungsachse der Stabi gedacht. Diese Achse komponierte er als Abfolge von Räumen, die sich in ihrer repräsentativen Wirkung steigern. So wie die alte Lindenkuppel wird auch die neue in Zukunft Buchmagazine beherbergen. Auf zwei Etagen sollen etwa 100 000 Bände untergebracht werden. Die Räume werden klimatisiert und an die Buchtransportanlage des Hauses angeschlossen sein. Unter der Kuppel entsteht ein großer Festsaal.

Ab 2016 soll der Zugang zu den Lesesälen wieder vom Haupteingang Unter den Linden möglich sein. Derzeit befindet sich der Eingang rückwärtig an der Dorotheenstraße. Vom Hauptportal mit der Lindenhalle wird der Weg in den repräsentativen Brunnenhof führen, dann in die Eingangshalle mit der Freitreppe und einem eindrucksvollen Tonnengewölbe. Vom Vestibül dahinter gelangt man in die von dem Architekten HG Merz entworfenen Neubauten.

Von der Kuppelbaustelle aus hat man einen guten Blick auf die Baustelle des südlichen Stabi-Traktes. Die Entkernung des Altbaus ist im Gange, Kräne kreisen, freigelegtes Originalmauerwerk ist zu sehen. Hier sollen neben Magazinflächen auch fünf Sonderlesesäle und ein Bibliotheksmuseum entstehen.

Beim nächsten Richtfest könnte an der Stabi sogar mit Wein aus eigener Herstellung angestoßen werden – theoretisch jedenfalls. Im Brunnenhof stehen Originalrebstöcke aus den 1920er Jahren. Sie sollen – wenn die Gerüste nach der Sanierung abgebaut werden – wieder an den Fassaden emporranken.