Literaturfestival in der Uckermark: Wälder, Seen, Äcker – und Schriftsteller
Bülowssiege - Die Frage taucht spätestens dann auf, wenn man allein auf der holprigen Landstraße steht. Wenn wirklich nichts mehr zu hören ist außer dem Wind, wenn kein Haus mehr zu sehen ist, nur eine gewellte Landschaft, dann wird die Frage immer drängender. Die Frage heißt: In dieser Einsamkeit soll ein Fest der Literatur und der Musik stattfinden? Und die Antwort lautet: Ja – vom 7. bis 9. August. Dann wird die Uckermark erstmals Schauplatz des „Wortgartens“. Mehr als 20 Autorinnen und Autoren, unter ihnen Bachmann- und andere Preisträger, kommen in die leere Gegend nördlich von Berlin.
Die Warnung an die Besucher ist unmissverständlich. „Bitte fahren Sie auf unserer Kopfsteinpflasterstraße unbedingt vorsichtig, da hier schon manche Ölwanne beschädigt wurde“, steht auf der Seite, die Kerrin Gräfin von Schwerin und ihr Mann Detlef ins Internet gestellt haben. Für Autos ist die alte Landstraße von Wilhelmshayn nach Bülowssiege eine Herausforderung.
Feldstein und Backsteinbögen
Doch die frühere Privatdozentin und der langjährige Potsdamer Polizeipräsident, die nach Stationen in Indien, Nepal und Berlin seit 1998 in dem denkmalgeschützten Gutshof leben, haben sich an die Straße gewöhnt. „Wir sind hier hochrädrig unterwegs“, teilt die Gräfin mit. In Bülowssiege (mit dem Namen sollte einst der preußische General der Freiheitskriege Friedrich Wilhelm Freiherr von Bülow geehrt werden) sind andere Dinge viel wichtiger.
Zum Beispiel, der Flut der Johannisbeeren Herr zu werden, die im Garten der Gräfin gedeihen. „Wer uns besucht, muss welche mitnehmen“, sagt sie. Wichtig ist auch: „Vor zehn Jahren habe ich meine Glyzinien gepflanzt, und jetzt blühen sie zum ersten Mal“, freut sich der Graf. Er deutet dies als ein gutes Zeichen für den „Wortgarten“, der im nahen Fürstenwerder beginnen und dann nach Bülowssiege übersiedeln wird.
Gelesen wird im Garten der 1830 fertiggestellten Anlage, hinter dem Gutshaus, das mit seinen Feldsteinmauern und den neogotischen Backsteinbögen ein ungewöhnliches Bild abgibt. Auch im Schafstall, der sein Dach zu DDR-Zeiten einbüßte, tragen Schriftsteller vor, unter einem Pfirsichbaum. Auf dem Programm stehen Saša Stanišic, Ingo Schulze, Jan Wagner, Annett Gröschner, Katja Lange-Müller, Dirk Laucke und andere Autoren. Nach dem Abendessen gibt es ein Konzert mit der Sängerin Masha Qrella.
Zwar ist die Uckermark dünner besiedelt als große Teile Schwedens. Doch hier leben viele Autoren, Musiker, Künstler. Bekannte wie Botho Strauß und weniger Bekannte. Saša Stanišic wohnte in Fürstenwerder und verwob seine Eindrücke aus dem 750-Einwohner-Ort in dem Roman „Vor dem Fest“, der den Preis der Leipziger Buchmesse bekam. Freunde Neuer Musik kennen das Ensemble Quillo in Falkenhagen.
Der Lyriker Alexander Gumz, der beim Berliner Künstler-Netzwerk Kook aktiv ist und Poesiefestivals organisiert, hat gute Verbindungen hierher. „Ich besuche die Gegend, seit meine Mutter vor 20 Jahren hierher gezogen ist, und ich finde die Uckermark jedes Jahr schöner“, sagt er. „Ich habe mir öfter gesagt: eine perfekte Gegend für ein Literaturfest!“ Gumz kennt Nils Graf, den es aus dem Rheinland nach Fürstenwerder verschlagen hat und der in dem kargen Dorf ein Antiquariat mit Buchhandlung betreibt – was nach kaufmännischen Lehrbüchern Wahnsinn ist, sich aber trotzdem rechnet. Auch Graf kennt Autoren. „Irgendwann sagten wir uns: Jetzt müssen wir es anpacken“, sagt Gumz. So wurde die Idee konkret.
Ein Experiment
Heute wundern sich Alexander Gumz, Jutta Büchter und Lucy Fricke von Kook, wie sich eines zum anderen fügte. In dem Dorf, in dem Gumz’ Mutter lebt, wohnt die Literaturkritikerin Verena Auffermann, die wiederum mit den von Schwerins befreundet ist. „Wir haben uns gefreut, dass dieses Projekt an uns herangetragen worden ist, und wir haben gern zugesagt“, sagt der Graf.
Der „Wortgarten“ ist ein Experiment, das unter anderem von der Kulturstiftung des Bundes und der Sparkasse Uckermark unterstützt wird. 400 bis 500 Besucher würden erwartet, sagt Lucy Fricke. „Von den Autoren hat kaum jemand abgesagt. Und fast alle bleiben die ganze Zeit.“ Wie schön die Uckermark ist, hat sich offenbar herumgesprochen. Detlef Graf von Schwerin beschreibt sie so: „Wälder, Seen, Äcker und ein weiter Himmel.“ Mehr nicht.