Live-Hörspiel über Berlins bekanntesten Serienmörder Carl Großmann im „F101“
Am 21. August 1921 stellten Polizisten den wohl bekanntesten Serienmörder Berlins auf frischer Tat – Carl Friedrich Wilhelm Großmann befand sich in seiner Wohnung in der Langen Straße in Friedrichshain, neben ihm lag sein letztes Opfer, die Prostituierte Marie Nitsche. Ein Nachbar hatte die Schutzmänner alarmiert, weil er gehört hatte, wie die junge Frau um Hilfe schrie – so ist es zumindest überliefert.
Wie werden diese letzten Minuten in Großmanns Freiheit wohl geklungen haben? Vielleicht waren Schritte auf knarrenden Dielen zu hören, als die Polizisten durch den Flur stürmten, vielleicht ein Klopfen an der Tür, dann die Stimme eines Wachmannes: „Großmann, aufmachen!“ Wer im „F101“, dem winzigen Theatersaal unter dem Dach des Admiralspalastes in Mitte, die Augen schließt, hat das Gefühl, eben jene Minuten hautnah zu erleben. Doch wer die Augen öffnet, sieht: Es ist und bleibt eine Illusion. Auf der Bühne stehen Sprecher, Musiker und ein Geräuschemacher – gemeinsam schaffen sie eine Klang-Kulisse, die jeden Zuhörer direkt ins Berlin der 20er-Jahre versetzt.
Es ist ein Live-Hörspiel, das den Serienmörder lebendig werden lässt, 97 Jahre nach seinem Tod. Ausgedacht hat sich das Audio-Stück die Autorin Johanna Magdalena Schmidt (38). „Ich schreibe schon seit Jahren Hörspiele – und war von der Geschichte Großmanns fasziniert“, sagt sie. „Er ist einer der größten Serienmörder unserer Zeiten, hat mutmaßlich Hunderte Menschen getötet – und trotzdem ist er längst nicht so bekannt wie andere Kriminelle.“ Schmidt schrieb das Konzept für die Audio-Show, für Texte, die Musik und ganz besondere Soundeffekte.
Eine unglaubliche Geschichte
Großmann begann seine Mordserie um 1913: Er sprach seine Opfer, immer Frauen, rund um den Andreasplatz an. Dieser lag an der Friedrichshainer Andreasstraße und verschwand 1960 mit der Neubebauung. Großmann bot den Frauen eine Arbeit als Hauswirtschafterin an. Er brachte sie um und versenkte sie im Engelbecken.
Von 1918 bis 1921 wurden dort 23 Frauenleichen gefunden, Großmann gestand später nur drei Morde. Wie viele wirklich auf sein Konto gehen, ist unklar. Zudem wird erzählt, er habe seine Opfer zu Dosenfleisch verarbeitet, er betrieb einen Wurststand. Ein Urteil gegen ihn wurde nie gesprochen – er erhängte sich am 5. Juli 1922, kurz vor dem Ende des Prozesses, in seiner Zelle.
Nun darf Großmann wieder sprechen – und er klingt verdächtig nach dem Hollywood-Star Tommy Lee Jones. Dessen Synchronsprecher Ronald Nitschke (68) leiht dem Mörder seine Stimme. „Ich habe mich vorher im Internet über Großmann belesen“, sagt er. „Seine Geschichte kann man kaum glauben. Dass er so viele Frauen umgebracht haben soll, und das in der damaligen Zeit, ist einfach verrückt.“ Nitschke spielte schon viele Rollen, das Hörspiel ist für ihn etwas Besonderes. „Das Beste ist: Man kann ablesen und muss keinen Text lernen“, sagt er.
Ein echter Trend
Den wohl spannendsten Job hat aber er: Robert Lehnert ist Geräuschemacher, erzeugt live verschiedene Soundeffekte wie Pferdegetrappel, Schritte, knarrende Türen. „Es ist ein Handwerk, das man von niemandem lernen kann. Man muss viel experimentieren, um die richtigen Quellen für die Klänge zu finden.“ Inzwischen beherrscht er viele Tricks. Zum Beweis nimmt er ein Bündel Selleriestangen und dreht sie mit beiden Händen, bis es knirscht. „So klingt der Sound, wenn einem Hund der Hals umgedreht wird“, sagt er. Wenn das Blut spritzt, wühlt er in Tomaten.
Wie blutig das Hörspiel wird, wird nicht verraten. Fakt ist aber: Solche Live-Audio-Events sind ein echter Trend. Schon Comedy-Star Bastian Pastewka tourte mit seinem Hörspiel-Krimi „Paul Temple und der Fall Gregory“. Ein Erfolg, für den Nitschke eine Erklärung hat: „Gerade in der heutigen digitalen Zeit nehmen sich die Leute die Zeit, einen Gang runterzuschalten. Und so ein Hör-Abend hilft gut beim Entschleunigen.“
Infos: www.admiralspalast.de