Vom Warnstreik kalt erwischt: BER-Passagiere ahnten nichts von Flugausfällen

Am Montag streikte das Sicherheitspersonal am BER – alle Abflüge fielen aus. Manche Passagiere waren von ihren Fluggesellschaften nicht informiert worden.

Ein Warnstreik von Verdi legte am 13. März den Flughafen Berlin-Brandenburg lahm. Etwa 200 Beschäftigte des Flughafens streikten im Terminal.
Ein Warnstreik von Verdi legte am 13. März den Flughafen Berlin-Brandenburg lahm. Etwa 200 Beschäftigte des Flughafens streikten im Terminal.Manngold/imago

Am späten Vormittag war es so ruhig und leer auf dem Flughafen BER wie seit der Pandemie nicht mehr. Zum zweiten Mal in knapp sechs Wochen streikte das Flughafenpersonal. Das Ergebnis: Alle 200 geplanten Abflüge fielen aus, auch der ankommende Flugverkehr war gestört, etwa 27.000 Passagiere sollen betroffen gewesen sein.

Zu dem ganztägigen Warnstreik hatte die Gewerkschaft Verdi aufgerufen. Mit Beginn der Morgenschicht um 3.30 Uhr startete die ganztägige Aktion; insgesamt 400 Beschäftigte aus dem Luftsicherheitsbereich, der Fluggast-, der Personal- und Warenkontrolle waren nicht zur Arbeit gekommen. Neben dem kompletten Ausfall des Abflugverkehrs wurde auch jeder dritte ankommende Flug abgesagt. Die Passagiere, die heute in Berlin doch landen konnten, waren erleichtert, als sie die Abflugtafeln mit all den rot markierten Meldungen sahen. Sie hatten es geschafft, sie staunten, lachten, machten mit dem Handy Fotos als Beweis für ihr Glück.

Ziel des Streiks war es, eine „bessere tarifliche Regelung“ zur Entlohnung von Überstunden sowie Zeitzuschläge für Nacht-, Samstags-, Sonntags- und Feiertagsarbeit mit dem arbeitgebenden Bundesverband der Luftsicherheitsunternehmen (BDLS) zu erreichen. Ab 9.30 Uhr demonstrierten etwa 200 der streikenden Mitarbeiter am Willy-Brandt-Platz vor dem Flughafen; ähnliche Streikaktionen fanden auch an den Flughäfen in Hamburg, Hannover und Bremen statt.

Erst am Flughafen von der Absage erfahren

Der Streik wurde bereits am Freitag letzter Woche bekannt gegeben – doch offenbar wurden nicht alle Reisenden darüber informiert. Mehrere Passagiere erzählten der Berliner Zeitung in der Abflughalle des Terminal 1 am BER, sie hätten gar keine Information über den Warnstreik von ihren Fluggesellschaften bekommen. Der 22-jährige Manus aus Athen musste bei seiner Ankunft am Flughafen feststellen, dass seine geplante Reise abgesagt worden war. Er hatte ein Wochenende in Berlin verbracht und wollte am Montag mit Aegean Airlines wieder nach Hause fliegen. Auch die Reiseagentur, über die er seine Flüge gebucht hatte, habe ihn nicht über den Streik informiert, sagte er, sondern nur einen neuen Flug für Dienstag gebucht.

„Zumindest musste ich selbst keine Kosten dafür tragen“, sagt Manus. „Es ist schon ein bisschen komisch, dass man mich nicht darüber informiert hat, aber so was passiert halt.“ Unter den aktuellen wirtschaftlichen Umständen könne er nachvollziehen, warum die Flughafenmitarbeiter streiken. Auch wenn er heute Abend auf dem BER übernachten muss – seine Reiseagentur kommt für ein Hotelzimmer nicht auf.

Aegean Airlines war nicht die einzige Fluggesellschaft, die es versäumte, ihre Kunden über den Streik zu informieren. Am Montag wollte Andreas, 62, in die Türkei fliegen, um in der Küstenstadt Antalya Urlaub zu machen. Er sagt, er habe eine Mail von der zuständigen Fluggesellschaft SunExpress bekommen – allerdings mit der Info, der Abflug würde sich aufgrund des Streiks lediglich verspäten. Erst bei seiner Ankunft am Flughafen hat er mitbekommen, dass ein Streik stattfindet. „Ich habe für diesen Urlaub nur fünf Tage von der Arbeit frei bekommen – jetzt gehen 20 Prozent davon den Bach hinunter“, sagt er bitter. 

Gewerkschaftssekretär: Jetzt reicht es

Enrico Rümker, Gewerkschaftssekretär bei Verdi, zuständig für den Bereich Luftverkehr, meinte auf Anfrage der Berliner Zeitung, die streikenden Beschäftigten hätten mit der Aktion „ein eindeutiges Signal“ gesetzt. Schon seit 2016 befindet sich Verdi in Gesprächen mit dem Bundesverband der Luftsicherheitsunternehmen über eine tarifliche Regelung zur Entgeltung von Überstunden und Wochenend- bzw. Feiertagsarbeit. Die aktuelle Regelung gibt es seit 2006, sie wurde in der Zwischenzeit nie angepasst. „Jetzt ist einfach der Punkt, an dem die Kolleginnen und Kollegen sagen: Es reicht!“, so Rümker. Er hat den Eindruck, ein Großteil der Beschäftigten würde einen weiteren Streik unterstützen, sollte es keine „vernünftige Weiterentwicklung“ seitens ihres Arbeitgebers geben.

Was der Streik für den weiteren Verlauf der Verhandlungen mit dem BDLS bedeute, sei aber schwer zu sagen. Nach dem Streik am BER am 25. Januar konnte Verdi sich mit zwei der drei betroffenen Arbeitgeber – dem Bodenverkehrsteam und der Flughafengesellschaft – auf neue Regelungen einigen. Damals, so Rümker, waren alle Beteiligten zumindest „lösungsorientiert“. Beim BDLS sei das aber offenbar nicht der Fall: „Wenn wir mit zwei von drei Arbeitgebern vernünftig vorankommen, dann liegt das Problem nicht irgendwie an uns, sondern eher an dem einen Akteur, der das offensichtlich nicht will.“

Erste Reaktionen des BDLS zum Streik blieben am Abend des Streiktages noch kühl. „Wir haben Verdi einen weitreichenden Vorschlag gemacht und sind auch weiterhin in Gesprächen. Eine Reaktion von Verdi haben wir dazu aber nicht erhalten“, so Rainer Friebertshäuser, Leiter der Tarifkommission des BDLS, in einer Pressemitteilung. „Der Streik ist für uns überhaupt nicht nachvollziehbar und schadet damit auch dem Fortgang der Verhandlungen.“ Die „unverhältnismäßige“ Aktion habe auch „viele Tausend unschuldige Passagiere, die Flughäfen und die Fluggesellschaften“ massiv geschädigt, so die Pressemitteilung weiter.

Am frühen Nachmittag, etwa eine Stunde vor seinem geplanten Abflug um 13.25 Uhr, wartet Andreas aus Berlin immer noch auf Informationen zu seinem ausgefallenen Flug nach Antalya. Er schüttelt den Kopf, zuckt mit den Schultern und schaut sich um. Er sieht niemanden von seiner Fluggesellschaft, an den er sich wenden kann. „Ich hatte überlegt, ob ich den Flug überhaupt buchen soll, an so einem Datum wie heute“, sagt er. „Am 13. passiert nie was Gutes.“