Luftverschmutzung: Diesel-Fahrverbot in Berlin rückt näher
Für Dieselautobesitzer brechen harte Zeiten an. Nach Düsseldorf und München ist nun auch in Stuttgart der Weg für Fahrverbote frei. Am Freitag gab das dortige Verwaltungsgericht einer Klage statt, mit der die Deutsche Umwelthilfe vom Land Baden-Württemberg die Einhaltung der Stickoxid-Grenzwerte verlangt hatte. Nur Diesel-Fahrverbote für Fahrzeuge unterhalb der Schadstoffklasse Euro 6 schützen wirksam gegen die Belastung, so der Vorsitzende Richter Wolfgang Kern.
Rechtsanwalt Remo Klinger, der die Umwelthilfe bei dem erfolgreichen Verfahren in Stuttgart vertreten hat, erwartet nun auch für Berlin solche Beschränkungen. „Aus unserer Sicht ist klar, dass an Dieselfahrverboten in der Innenstadt auch in Berlin kein Weg vorbeiführt“, sagte der Jurist der Berliner Zeitung.
Der Verband hat das Land Berlin ebenfalls auf sauberere Luft verklagt. Ein Verhandlungstermin steht noch nicht fest. „Ich bin an dem Verfahren nicht beteiligt“, sagte der Berliner Jurist, der auch den Senat berät. „Ich gehe aber davon aus, dass sich das Verwaltungsgericht Berlin nach den bisherigen Entscheidungen ebenfalls für Verkehrsbeschränkungen für Dieselfahrzeuge aussprechen wird.“ Es sei keine andere Maßnahme ersichtlich, „die eine vergleichbare Wirkung auf die Gesundheit der Bürger entfaltet und die Belastung durch Stickoxide spürbar und nachhaltig senkt“.
Nachrüstungen von BVG-Bussen und mehr Tempo 30
Das habe das Verwaltungsgericht Düsseldorf genauso eingeschätzt wie das höchste bayrische Gericht. „Auch sie haben den Schutz der Gesundheit über die Interessen von Dieselfahrzeugbesitzern und der Industrie gestellt,“ erklärte Klinger.
Wie berichtet setzt der Senat unter anderem auf die Nachrüstung von BVG-Bussen mit Filtern sowie auf Tempo 30. Auf fünf Hauptverkehrsstraßen soll spätestens Anfang 2018 die Geschwindigkeit herabgesetzt werden. Später soll die Zahl auf bis zu 18 steigen. Klinger machte allerdings deutlich, dass das Land Berlin damit seine Chancen vor Gericht nicht verbessert. „Bisherige Untersuchungen zeigen, dass Tempo 30 die Belastung der Luft mit Stickoxiden nur marginal senkt“, sagte er. Als Instrument der Luftreinhaltung sei es ungeeignet. „Das zeigt sich auch daran, dass Tempo 30 in dem Verfahren in Stuttgart keine Rolle gespielt hat. Selbst die Stuttgarter Behörden, die jeden Strohhalm ergriffen haben, um Dieselfahrverbote zu vermeiden, haben sich zu keiner Zeit darauf bezogen“, so der Jurist.
„Fahrverbote sind das letzte Mittel, um die Gesundheit der Menschen zu schützen“, sagte Berlins Verkehrssenatorin Regine Günther (parteilos, für Grüne). „Die Bundesregierung und die Automobilhersteller müssen jetzt endlich handeln.“ Die Industrie müsse sich beim Nationalen Dieselforum am Mittwoch verpflichten, Diesel-Pkw so zu ertüchtigen, dass die Stickoxid-Grenzwerte im realen Betrieb eingehalten werden. „Wie das geschieht und die Finanzierung dieser Ertüchtigung ist Sache der Automobilindustrie. Gleichzeitig muss die Bundesregierung eine blaue Plakette einführen, damit nicht-nachgerüstete Dieselfahrzeuge aus den Innenstädten herausgehalten werden können“, sagte sie.
Doch der Senat müsse nicht so lange warten, sagte der Anwalt der Umwelthilfe. Klinger: „Auch ohne eine solche Kennzeichnung gibt es sowohl im fließenden als auch im ruhenden Verkehr Möglichkeiten, die Einhaltung von Verkehrsbeschränkungen zu kontrollieren.“ Denkbar wären Halterabfragen, außerdem sind viele Dieselfahrzeuge als solche gekennzeichnet – „mit Typbezeichnungen, die ein D wie Diesel enthalten“.